Bis du stirbst: Thriller (German Edition)
sechsmal gezwungen hast, mit vorgehaltener Waffe.«
»Das glaubt dir keiner.«
»Dann eben viermal.«
Sami streckt die Hand aus, um die Waffe zurückzubekommen. Kate schlägt seine Hand weg.
»Glaubst du, ich mache nur Spaß? Ich mein’s ernst.«
Einen flüchtigen Moment lang überzeugt ihn das verrückte Glimmern in ihren Augen beinahe. Dann lacht sie und zielt mit dem Lauf der Beretta auf den Knoten an seinem Bademantel.
»Ich lasse meine Kleider fallen, wenn du deine fallen lässt. Ich bin spitz wie sonst was.«
47
Montagmorgen. Ruiz geht auf einem Metallgitter, Gefängniszellen auf einer Seite und zwei Stockwerke Luft auf der anderen. Alle fünfundzwanzig Meter schließt ein Wärter ein schweres Eisentor auf. Ruiz tritt hindurch, geht weiter. Handspiegel werden aus Luken gehalten, als er vorbeigeht; körperlose Augen, die ihn beobachten.
Er steigt noch eine Eisentreppe hinauf. Netze sind zwischen den Geländern gespannt, damit nichts Schweres hinuntergeworfen wird. Menschen zum Beispiel.
Das ist der Isolationsflügel, wo die Sexualverbrecher, die Zuhälter, die Gefängnisspione und die unverbesserlichen Gewalttäter von der allgemeinen Gefängnisbevölkerung ferngehalten werden.
Der Gesprächsraum hat kahle Wände, drei Klappstühle und einen narbigen Holztisch, der am Boden festgeschraubt ist. Einer der Stühle ist bereits besetzt. Derek Raynor sieht aus wie ein irischer Schwerarbeiter. Seine Oberlippe ist rasiert. Der Bart sieht aus wie eine ingwerfarbene Hängematte, die zwischen seinen Ohren aufgehängt ist.
»Ich möchte allein mit ihm sprechen«, sagt Ruiz. »Sie können die Handschellen abnehmen.«
Der ältere Wärter zuckt die Schultern und nimmt dem Gefangenen die Fesseln ab.
Raynor hat Gewalt zu seiner Berufung gemacht. Mit siebzehn wurde er bei einem Einbruch geschnappt und kam ins Jugendgefängnis, wo er einen Sozialarbeiter angriff, ihm den Brustkorb zerquetschte und den Schädel einschlug. Das war der erste von drei Morden, die er im Gefängnis beging. Jetzt kommt er nie wieder raus.
»Hallo, Derek.«
»Mein Name ist Abdul Mohammad.«
»Ach ja? Wie geht’s denn Allah heute so? Sein Image wird gerade aufpoliert.«
»Machen Sie sich über den Propheten lustig, Mr Ruiz?«
»Ich? Nein. Ich habe gesehen, was mit Leuten passiert, die sich über den Propheten lustig machen. Schriftsteller. Karikaturisten. Frauen. Allah ist nicht gerade für seinen Sinn für Humor berühmt.«
Ruiz zieht sich einen Stuhl ihm gegenüber heran, setzt sich und legt die Unterarme auf den Tisch. Er fixiert Raynor mit einem rätselhaften Blick.
»Sagen Sie mir eins, Derek. Denkt Allah, dass ein mordendes Arschloch wie Sie, das religiös wird, sich über ihn lustig macht?«
Raynor antwortet nicht gleich. Hinter dem verstärkten Glas kann Ruiz die Aufseher an einem Tisch sehen. Einer löst ein Kreuzworträtsel, während ein anderer Kaffee trinkt.
»Ich war kein gewalttätiger Mann, als ich ins Gefängnis kam«, sagt Raynor mit ungerührtem Blick. »Das System hat einen Teenager mit Problemen in ein Monstrum verwandelt. Allah hat mir vergeben und mich gelehrt zu verzeihen.«
»Wem haben Sie verziehen?«
»Allen, die mir Böses zugefügt haben.«
»Der Sozialarbeiter, den Sie umgebracht haben, hat eine Witwe. Ich werde ihr ausrichten, dass Sie ihrem Mann vergeben haben.«
Raynor starrt Ruiz hart an. Kleine dunkle Flecken treiben in seiner Iris wie tote, in Harz gefangene Fliegen.
Ruiz wechselt das Thema.
»Haben Sie jemals etwas mit einem Insassen zu tun gehabt, der Sami Macbeth heißt?«
Raynor schüttelt den Kopf.
»Sie erinnern sich nicht daran, ob er zu Gebetsversammlungen gekommen ist oder in die Bruderschaft aufgenommen werden wollte?«
»Die Wahrheit wächst in den Seelen der Menschen. Ich kann nicht in alle hineinsehen.«
»Ist das so? Sagen Sie mir, Derek, wie weit würden Sie für Ihren Glauben gehen? Würden Sie einen Zug in die Luft jagen?«
Raynor lächelt gütig. »Ich würde die Welt zerstören, damit Gott sie dann in sechs Tagen wieder aufbauen kann.«
»Ich dachte, das sei aus der Bibel?«
»Lesen Sie bei Gelegenheit mal den Koran.«
Ruiz beugt sich über den Tisch, wobei er die Hände flach auf dem narbigen Holz liegen lässt. »Ich habe kein Problem damit, dass Sie Gott gefunden haben, Derek, und ich habe nicht einmal damit ein Problem, dass Sie den erniedrigten Märtyrer spielen, ich will nur wissen, ob Macbeth sich mit den Brüdern zusammengetan hat, als er im Bau
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