Bis du stirbst: Thriller (German Edition)
kann.«
Piper atmet schwer durch die Nase. Die letzte Waffe ist untersucht worden. Er dreht sich zu seinem direkten Untergebenen um.
»Sind von diesen Waffen welche ausgetauscht oder manipuliert worden?«
»Nein, Sir, sie wurden direkt am Tatort eingesammelt.«
Einen kurzen Augenblick lang spürt er Erleichterung, aber genauso schnell taucht eine Frage in seinen Augen auf. Wenn keiner von seinen Leuten den Schuss abgefeuert hat, wer hat dann den Lieferwagenfahrer erledigt?
Piper blickt auf die Uhr. Punkt zwei Uhr morgens. Der Polizeipräsident will bis sieben einen Bericht auf seinem Schreibtisch liegen haben. Was wird Piper ihm sagen? Ein Einsatz, der eine Million Pfund gekostet und das West End acht Stunden lang lahmgelegt hat, hat als Ergebnis einen fehlenden Terroristen (der vielleicht eine Bombe hat, vielleicht aber auch nicht) und eine ermordete Geisel vorzuweisen, die von einer oder mehreren unbekannten Personen erschossen worden ist.
Und dann ist da noch das andere Problem. Die Radiosender melden, dass der Terrorverdächtige von der Polizei erschossen wurde. Früher oder später werden sie herausfinden, dass es sich um eine Geisel handelte. Wenn Piper leugnet, dass die Polizei in die Schießerei verwickelt war, dann werden sie es Vertuschung nennen und ihm einen Bunsenbrenner unter die Eier halten. Die Wahrheit ist ähnlich unbequem. Mitten in einer gigantischen Sicherheitsoperation, an der hundert von Scotland Yards besten Leuten beteiligt waren, ist ein Scharfschütze durch eine Polizeiabsperrung gedrungen und hat einen mutmaßlichen Terroristen erschossen, der sich später als ein Lieferwagenfahrer entpuppte, der zum Mittagessen in das Restaurant gegangen war.
Oh ja, das wird ihnen gefallen.
Es wird ein langer Tag werden.
46
Sami zieht die Vorhänge auf und besieht sich den Morgen. Die Sonne scheint, die Jogger joggen, und die Themse fließt, träge und braun. Er beobachtet, wie ein einsamer Ruderer auf dem Fluss dahingleitet wie ein Wasserkäfer und unter einer Brücke verschwindet. Wie kann ein Tag nur so normal aussehen?
Zuerst duscht und rasiert er sich. Dann stellt er den Fernseher an und guckt eine Pressekonferenz von Scotland Yard. Ein hochrangiger Polizist beantwortet Fragen. Die Stimme ist unverwechselbar. Es ist der Unterhändler.
Bob hört sich nicht mehr so selbstsicher an. Seine Augen sind blutunterlaufen, und sein Hemdkragen steht auf einer Seite hoch. Er greift nach einem Glas Wasser, kommt aber nicht dazu zu trinken. Er wird mit Fragen bombardiert, von Reportern, die stehen, aufgesprungen sind, sich weigern, wieder Platz zu nehmen.
»Ich möchte noch einmal wiederholen, dass keiner der bewaffneten Beamten einen Schuss abgegeben hat. Wir ermitteln wegen Mord, und wir sind zuversichtlich …«
»Wie ist der Schütze durch die Absperrung gekommen?«
»Wir sind noch nicht sicher zu diesem …«
»Wie ist er entkommen?«
»Wir werden mehr wissen, wenn …«
»Der Terrorist und der Schütze sind also beide entkommen? Könnte es sich dabei um dieselbe Person handeln?«
Bob versteht die Frage nicht.
»Könnte Macbeth die Geisel erschossen haben?«
»Das ist nicht auszuschließen.«
»Wie ist er entkommen?«
Bob reibt sich den Mund mit dem Handrücken. Die Mikrofone verstärken das sandpapierartige Kratzen seines unrasierten Kinns. »Wir glauben, dass er irgendwelche Hilfe von außen hatte.«
»Wollen Sie damit sagen, er könnte einen Komplizen haben?«
»Wir schließen es nicht aus. Wir ermitteln, warum Macbeth ausgerechnet dieses Restaurant ausgesucht hat. War das geplant? Hatte er vor, sich dort mit jemandem zu treffen?«
»Könnte das Opfer sein Komplize gewesen sein?«
Bob blinzelt in die Kameras.
»Dazu kann ich derzeit unmöglich etwas sagen.«
Oh, das ist schlau, denkt Sami. Sie haben nicht den richtigen Kerl erwischt, aber es war in jedem Fall ein Bösewicht.
Bob versucht, noch mehr Fragen abzuwehren. »Ich möchte, dass Sie verstehen, dass wir es hier mit einer sehr cleveren, gut trainierten Terror-Einheit zu tun haben, möglicherweise mit dem gefährlichsten Kriminellen, der mir in zwanzig Dienstjahren untergekommen ist. Er ist absolut gewissenlos und wild entschlossen, größtmögliche Zerstörung und Opferzahlen zu verursachen.«
Ein Reporter unterbricht die Ansprache.
»Eine der Geiseln, Lucy Ho Fook, sagt, dass sie nicht glaubt, dass er ein Terrorist ist und dass er keine Bombe hat.«
Bob gerät aus der Fassung. Er glotzt den Reporter an, sein Mund in
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