Bis einer stirbt
Zahl?« Sorgfältig faltete er das Taschentuch zusammen und steckte es ein.
»Keine Ahnung«, sagte ich. »Eine Altersangabe macht ja wohl keinen Sinn, oder?«
»Kaum. Ich hab eher an eine Hausnummer oder so was gedacht. Obwohl das natürlich auch seltsam wäre. Wer stickt sich schon seine Hausnummer ins Taschentuch?«
15
Zum Glück gehörte Benjamin nicht wie wir zu den Schulschwänzern. Es war kein Problem, ihn zu finden. Wir brauchten nur die groÃe Pause abzuwarten. Da er nicht in dieselbe Schule ging wie wir, konnten wir einfach über den Schulhof schlendern und nach ihm suchen.
»Da vorne ist er«, sagte ich zu Nils.
Ben war alleine. Als er uns kommen sah, tat er, als hätte er mich nicht erkannt, und drehte sich weg, was mir reichlich seltsam vorkam. Wenn er mit Pit Zoff hatte, konnte ich doch nichts dafür.
»Ben?« Erst als ich seinen Namen zum zweiten Mal rief, blieb er stehen. Widerwillig wandte er sich um und wartete. Irgendwas stimmte hier nicht.
»Hallo, Ben.«
»Hallo, Klara.« Er vergrub die Hände tief in den Taschen und beäugte Nils misstrauisch.
»Das ist Nils, mein Freund.« Das letzte Wort war raus, ehe ich es aufhalten konnte. Bens Skepsis zerstreute das allerdings nicht.
»WeiÃt du, wo Pit ist?« Ich lieà das Vorgeplänkel weg, wir hatten keine Zeit zu verlieren.
»Wie kommst du denn darauf?« Genervt drehte er sich ab. »Wir haben nichts mehr miteinander zu tun. Gar nichts. Ich dachte, das wäre klar.«
Ich hielt ihn am Jackenärmel zurück. »Er hat dich gestern angerufen«, sagte ich.
Seine Augen flackerten unruhig.
»Quatsch. Wir haben uns nichts mehr zu sagen. Warum sollte er mich da anrufen?«
Wieder wollte er gehen, aber ich hielt ihn energisch zurück.
»Pit ist in Gefahr!«, rief ich. »Und ich bin sicher, du kannst mir helfen, ihn zu finden!«
»Schrei noch ein bisschen lauter«, sagte er. »Dann weià gleich die ganze Schule Bescheid. Vielleicht habenâs noch nicht alle mitgekriegt.«
Natürlich hatte er Recht. Jeder, der wollte, konnte mich hören. Aber das war mir völlig egal. Hier ging es nicht um Diskretion, es ging um meinen Bruder.
»Lass uns irgendwo hingehen, wo wir ungestört sind«, schlug ich trotzdem vor.
Er überlegte kurz. »Aber ohne den da«, meinte er mit einem Blick auf Nils.
Der entschärfte sofort die Situation: »Kein Problem. Ich warte an der StraÃe auf dich, Klara.« Ich spürte sein Lächeln, als er sich zurückzog.
Ben führte mich in einen abgelegenen Winkel des Schulhofs. Er setzte sich auf einen Baumstumpf, zündete sich eine Zigarette an und schaute an mir vorbei.
»Wie kommst du darauf, dass er mich angerufen hat?« Er sprach mich an, ich existierte.
»Ich weià es«, sagte ich bestimmt. »Und jetzt Schluss mit dem Theater. Was weiÃt du?«
Ich blieb vor ihm stehen, ungerührt wie ein Baum.
»Ich glaube«, brummte Ben durch den Zigarettenqualm, »er steckt total in der ScheiÃe.« Am liebsten hätte er sich irgendwo eingebuddelt. »Aber auf mich wollte er ja nicht hören.«
Ich setzte mich neben ihn. Der Baumstumpf war groà genug für uns beide. Vorsichtig legte ich einen Arm auf Bens Schulter, aber er schien es gar nicht wahrzunehmen. In seinen Gedanken war er ganz woanders.
»Mit diesen Typen stimmte was nicht, das hab ich tausend Meilen gegen den Wind gerochen.« Er sprach eher zu sich selbst als zu mir. Pit war ihm noch immer viel wichtiger, als er zugeben wollte.
»Was für Typen?«, fragte ich.
»So schräge halt«, meinte er ausweichend. »Mit denen hat er sich plötzlich rumgetrieben. Alle älter als er. Und alle haben mit Geld nur so um sich geschmissen. Und ihm erzählt, dass er genauso viel haben könnte, wenn er bei ihnen mitmacht.«
»Wenn er was mitmacht?«, fragte ich.
»Das waren so Leute, die an den Türen klingeln und Blinden Zeitungen aufschwatzen, die nicht in Blindenschrift geschrieben sind. So ähnlich jedenfalls.«
»Drückerkolonnen?«
Ben nickte.
»Aber die reisen doch durch die Gegend und bleiben nicht an einem Ort.«
»Schon.« Er schien unsicher, ob er wirklich weiterreden sollte.
»Pit ist aber noch hier in der Stadt«, hakte ich erschrocken nach. »Oder etwa nicht?«
»Ich glaub schon. Soviel ich weiÃ, hatte er auch nicht vor
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