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Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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den Beinen, lässt dein Herz platzen, dein Blut in den Adern kochen … Es quälte mich, laugte mir die Seele aus, ich hätte heulen und flennen können. Und eine Zeit lang war ich kurz davor, aufzugeben. Ich konnte ganz einfach nicht mehr. Ich konnte keinen Schritt weiterrennen. Alles tat weh, jeder Atemzug versengte mir die Lunge … ich musste aufhören.
    Du kannst nicht aufhören.
    »Ich krieg keine Luft mehr … verdammt.«
    Du kannst nicht aufhören.
    »Aber ich hab keine Kraft mehr.«
    Du kannst nicht aufhören.
    Ich lief weiter.
    Die hereinbrechenden Wellen leckten schon am Fuß des Bunkers, als ich dort ankam, und nachdem ich kurz durchgeatmet hatte und meine Beine wieder zu spüren begann, schwankte ich zu der Schießscharte, holte meine Stiftlampe heraus und leuchtete durch den Spalt. Es gab keinen Zweifel, im Innern war es feucht, und an einigen Stellen stand auch schon reichlich Wasser, doch als ich den Lichtstrahl hin und her schwenkte, sah ich mit Erleichterung, dass große Teile des Bodens noch relativ trocken wirkten.
    Doch schon als ich mich von der Schießscharte entfernte, spürte ich, wie die Wellen über meine Füße lappten, und ich wusste, dass ich keine Zeit zu verlieren hatte.
    Ich war jetzt nass vor Schweiß, doch als ich auf die Rückseite des Bunkers ging – meine Lunge brannte noch immer und auch mein Herz pochte weiter –, spürte ich, wie die Hitze aus meinem Körper sickerte, und als ich oben an der Treppe stehen blieb, die hinab zu der Eisentür führte, war mir kalt bis auf die Knochen. Zitternd leuchtete ich mit der Lampe die Stufen nach unten. Die Tür war abgeschlossen. Ich warf noch einmal einen kurzen Blick hinter mich über den Strand – oder zumindest dorthin, wo normalerweise der Strand war –, doch alles war überflutet. Es gab keine Strandlinie mehr, keinen Sand, keinen Kies, keinen höher gelegenen Strandbereich … alles war verschwunden. Stattdessen gab es nur eine einzige große Meeresdunkelheit.
    Nichts weiter. Keine Sterne, keinen Mond, keine Lichter …
    Ich war allein.
    Ich war nur ein Kind, ein kleiner Junge …
    Allein in der Dunkelheit.
    Ich war betrunken … ein betrunkener Junge … zeitlos, alterslos …
    Ich wandte mich wieder der Treppe zu und ging hinunter. Eine Stufe nach der andern, mit der einen Hand berührte ich die Wand, mit der andern richtete ich die Taschenlampe auf meine Füße … jetzt konnte ich es schon riechen … die nasskalte Luft, den Uringestank … den Geruch des Bunkers, wie ich ihn von früher kannte … und als ich mich der untersten Stufe näherte, drang plötzlich eine neuere Erinnerung in meinen Kopf: Sergeant Boon, wie er sagte, ich solle oben an der Treppe warten, während er nach unten in den Bunker ging. Ich erinnerte mich, wie er den Schlüssel aus seiner Jackentasche nahm und die Tür aufschloss, sich dann bückte und durch den Eingang zwängte … danach war für kurzeZeit gar nichts passiert. Ich hatte gesehen, wie im Innern der Strahl der Taschenlampe umherfuhr, und angenommen, dass Boon einfach alles noch einmal überprüfte und nachsah, ob auch wirklich keine Leiche im Innern lag. Erst danach hatte er seinen Kopf aus dem Eingang gestreckt und mir zugerufen, ich solle herunterkommen …
    Aber vielleicht war meine Annahme falsch gewesen, überlegte ich jetzt. Vielleicht hatte Boon längst gewusst, dass keine Leiche im Innern sein würde, und etwas ganz anderes überprüft, ehe er mich nach unten rief …
    Ich würde es gleich herausfinden.
    Inzwischen hatte ich den Fuß der Treppe erreicht. Ich zog den Schlüssel aus der Tasche, leuchtete mit der Stiftlampe in Richtung Schlüsselloch und schloss die Tür auf. Sie schwang nach vorn und krachte heftig gegen die Betonmauer und ich starrte durch den Eingang ins Dunkel. Mein Herz pochte jetzt wieder, und als ich in die Hocke ging und die Lampe über mich hob, schoss mir das Blut in den Kopf. Für einen kurzen, schwindelerregenden Augenblick war ich wieder zeitlos, alterslos … ich war nur ein Kind, ein kleiner Junge … allein in der verbotenen Dunkelheit … allein mit den schmutzigen Wörtern an den Wänden und den zerrissenen Resten schmutziger Bilder … ängstlich, erregt, beschämt … betrunken … ich weinte … vor Übelkeit und Trauer … ich starrte in Chelseys leere blaue Augen, auf ihre starre weiße Haut, ihr gebrochenes Genick … sie war tot … sie war nichts … gar nichts …
    Ich wischte mir den Regen und den Schweiß aus dem Gesicht.
    Wartete, dass

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