Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)
wo du hingehörst.«
Ich schaute zu, wie er Honey durch die Tür zurückführte, nickte zum Abschied und machte mich auf.
Der Himmel hatte heute etwas aufgeklart, die grauschwarze Wolkendecke war von Flecken blassblauer Leere unterbrochen, und als ich aus der Hoteltür trat, musste ich sogar kurz meine Augen schützen, weil die Sonne in diesem Moment hinter einer dunklen Wolkenbank hervorbrach. Das hielt aber nicht lange an – während ich auf der Treppe stehen blieb und mir eine Zigarette anzündete, verzog sich die Sonne schon wieder, die Temperatur sank und es begann zu nieseln.
Ich hörte ein Auto näher kommen, und als ich aufschaute, sah ich ein Taxi auf den Parkplatz einbiegen. Es hielt vor dem Hotel, die hintere Tür ging auf und der Schmuddelige stieg aus. Er bezahlte den Fahrer, wies mit einer Handbewegung das Wechselgeld zurück und lief die Treppe hoch zur Tür. Er hielt den Kopf wegen des Regens nach unten geneigt und schien in Gedanken versunken, daher bemerkte er mich erst, als er schon fast an der Tür war. Aber ich beobachtete ihn genau, und als er schließlich aufblickte und mich sah, entdeckte ich ein leichtes Zögern in seinem Schritt und ein kurzes überraschtes Aufblitzen in seinen Augen. Es dauerte nur einen Moment und er fing sich schnell wieder – nickte mir beiläufig zu und brummelte ein »Alles okay?«, ehe er weiter durch die Tür ging –, doch da war es bereits zu spät. Ich hatte den unkontrollierten Blick in seinen Augen gesehen und wusste, er hatte nicht gewollt, dass ich diesen Blick sah. Also musste ich nur noch herausfinden, was zum Teufel das Ganze bedeutete.
Der Nieselregen war inzwischen dichter geworden. Die Tropfen wurden nicht schwerer, es regnete nicht heftiger … es schien nur einfach mehr Regen zu sein. Ein Regen, der auf der Haut haftet und einem in die Knochen kriecht, und es reichte mir mit der ständigen Kälte und dem Nasswerden in den letzten Tagen, deshalb rief ich nach dem Taxifahrer, derausgestiegen war und irgendwas aus dem Kofferraum holte, und fragte ihn, ob er mich ins Dorf fahren würde.
»Klar«, antwortete er. »Kein Problem.«
Ich drückte die Zigarette aus und ging hinüber zum Wagen. Es war ein silberner Skoda Octavia mit einem Taxischild aus Kunststoff auf dem Dach und den Worten ISLAND CABS auf der Tür. Der Fahrer hielt mir die hintere Tür auf. Ich bedankte mich und stieg ein. Er war ein farbloser, dickbäuchiger Mann mittleren Alters mit schütterem rotem Haar und irgendwie kränklicher Blässe. Während er die Fahrertür öffnete und einstieg, warf ich einen Blick auf die Taxilizenz, die auf der Rückseite seines Sitzes klebte. Das Porträtfoto auf der Lizenz war gut zehn Jahre alt und zeigte ihn noch mit vollem Kopfhaar und einer Spur von Hoffnung in den Augen.
»Wohin?«, fragte er und sah mich im Rückspiegel an.
Laut Taxilizenz war sein Name Eric Atherton.
»Gibt es irgendein Café im Dorf?«, fragte ich ihn. »Oder einen McDonald’s oder so was?«
»Es gibt das Tony’s«, antwortete er und gurtete sich an. »Die haben ganztägig Frühstück und so. Oder die Greggs-Filiale oben am Ende der Highstreet.«
»Tony’s klingt gut.«
»Okay.«
Er legte den Gang ein, schaltete die Scheibenwischer an und dann fuhren wir los in den Regen.
»Ich wollte ja eigentlich laufen«, sagte ich zu ihm und beugte mich zum Reden nach vorn. »Aber irgendwie ist das kein richtiges Laufwetter.«
»Nicht wirklich«, antwortete er.
Ich wartete, dass er weitersprach, doch anders als die meisten Taxifahrer schien er keine Lust zu haben, sich übers Wetter zu unterhalten. Genau genommen ignorierte er mich und starrte derart missmutig geradeaus, dass ich den Eindruck bekam, er wolle überhaupt nicht reden. Typisch ,dachte ich. Wenn ich mal einen redseligen Taxifahrer will, erwische ich ausgerechnet den einzigen auf der Welt, der den Mund nicht aufkriegt.
»Für Sie ist er natürlich gut«, machte ich noch mal einen Anlauf. »Der Regen, meine ich … Dieses Wetter bringt Ihnen doch sicher eine Menge Kunden, oder?«
»Ja.«
»Ist mehr zu tun als im Sommer, nehme ich an …?«
Er grummelte nur.
»Wissen Sie«, redete ich weiter. »Ich bin ganz erstaunt, wie voll das Hotel um diese Zeit ist. Ich meine, nicht brechend voll, aber doch deutlich voller, als ich dachte. Waren sogar Amerikaner da.« Ich schüttelte den Kopf. »Wirklich erstaunlich. Ich hab mich gestern mit ihnen unterhalten. Die sind aus Dallas. Können Sie sich das vorstellen?«
Wieder
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