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Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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sie auch glauben, ich hätte tatsächlich etwas gefunden. Ich brauchte mich nur zu bücken, einen Kiesel aufzuheben und ihn eine Weile anzusehen, dann vorsichtig in meine Tasche zu stecken, schon kamen sie ins Grübeln.
    Natürlich war mir bewusst, dass dies vielleicht nur ein weiterer Teil des Trugbilds war, dass mich die Gestalten am Bunker vielleicht gar nicht beobachteten und auch nichts Finsteres taten. Und selbst wenn sie mich doch beobachteten, war ich für sie vielleicht nichts weiter als ein Mann am Strand, der Kiesel aufhob und in die Tasche steckte.
    Aber im Großen und Ganzen glaubte ich doch an mich und an das, was ich tat, und auch wenn ich die Trugbildvorstellungin meinem Kopf nicht ganz ausmerzen konnte, fand ich zumindest Trost in der Tatsache, dass ich es wahrscheinlich nicht merken würde, falls ich wirklich einem Wahn erlag. Außerdem spürte ich auch das kalte Eisen des Schlüssels in meiner Tasche, des Schlüssels zum Bunker … ich spürte ihn, ich hörte die Kiesel dagegen klirren. Und das war Realität. Der Bunker war Realität. Die Leiche von Chelsey Swalenski war Realität gewesen.
    Ich war jetzt noch ein paar hundert Meter vom Bunker entfernt, nah genug, um zu sehen, dass die Gestalten da oben alle Männer waren, vier Männer, aber um Genaueres zu erkennen, war es noch immer zu diesig. Ich blieb einen Augenblick stehen und schaute mich um. Es war Ebbe, das Watt reichte bis weit in die Ferne. Die riesige Fläche glitschigen braunen Schlicks schimmerte unheimlich in dem dunstigen grauen Licht und gab einen trüben, fast metallischen Schein ab. Das Watt wirkte harmlos, doch ich erinnerte mich an die zahllosen Warnungen meines Vaters, mich von dort fernzuhalten, besonders um den Point herum.
    »Ein Schritt in die falsche Richtung, John«, hatte er mir gesagt, »und du versinkst, ehe du überhaupt begreifst, was passiert.«
    Ich sah kleinere Schwärme von Stelzvögeln, die an der fernen Wasserlinie patrouillierten, und überlegte, ob sich Bryan Swalenski für diese Vögel interessiert hätte. Und wenn ja, von wo er sie fotografiert hätte. Von hier aus, vom offenen Strand? Oder wäre er lieber etwas oberhalb vom Strand gewesen, wo Ginster und Gras mehr Schutz boten? Sicher hing das auch von den Gezeiten ab, ob gerade Ebbe war oder Flut, und auch wenn ich wusste, dass Flut gewesen war, als ich Chelseys Leiche gefunden hatte, war es unmöglich zu klären, wie spät es gewesen sein mochte, als Bryan die Fotos machte. Andererseits war es vielleicht ohnehin wahrscheinlicher, dass er von dem höher gelegenen Gelände aus fotografierte, zwischen der Salzmarsch und dem Strand,weil er von dort aus beides sehen konnte, die Vögel am Wasser und die Vögel in der Salzmarsch und an dem Bach.
    Ich dachte eine Weile nach und kam schließlich zu dem Ergebnis, dass es im Grunde egal war, ob ich weiter am Strand entlanglief oder quer hinüber in das höher gelegene Gelände – die Chancen, etwas zu finden, waren so oder so gering.
    Ich zündete eine Zigarette an, zog eine Münze aus der Tasche und warf sie in die Luft.
    Kopf: offener Strand.
    Zahl: höheres Gelände.
    Die Münze landete auf Zahl.
    Ich fand nichts – keine Anhaltspunkte, keine Beweise –, ich sah nicht mal viele Vögel, nur ein paar plumpe braune Dinger, die im Ginster herumhuschten, und zwei Schwäne, die auf dem Bach entlangglitten. Sonst nichts. Die ganze Gegend wirkte merkwürdig leblos. Selbst die Luft schien unnatürlich ruhig, und als ich mich wieder dem Bunker näherte, merkte ich, dass der Strand förmlich in Stille versank.
    Ich überlegte, ob das irgendwie mit den vier Männern zusammenhing, die mich beobachteten. Sie standen in ungerader Linie vor dem Bunker. Zwei von ihnen erkannte ich wieder – Lyle Keane, Kyles älteren Bruder, und den langhaarigen Biker vom Wohnwagenpark –, die andern beiden hatte ich noch nie gesehen. Einer von ihnen war auch Biker – Stiefel, versiffte Jeans, schwarze Lederjacke –, doch er war ein ganzes Stück älter als der Typ vom Wohnwagenpark, gut und gern Mitte dreißig. Er hatte hängende Mundwinkel, aschfahle Haut und die langen, ergrauenden Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Derb tätowierte Buchstaben auf den Fingern jeder Hand ergaben die Worte CUNT und FUCK .
    Der Vierte wirkte im Verhältnis zu den andern relativ ansehnlich. Mittelgroß, mittlere Statur, sauber gekämmtehellbraune Haare und frisch rasiertes Gesicht. Auf den ersten Blick schien er ziemlich unauffällig. Ich

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