Bis euch der Pfähler holt!
keine Lichter, man sparte mit dem Strom. Er wunderte sich, daß die einsame Laterne über ihm noch leuchtete.
Mit jeder Schneeflocke schien die Einsamkeit zuzunehmen. Der alte Mann, der sich noch gar nicht so alt fühlte und sich mehr mit einem Wolf verglich, fragte sich, ob die Menschen hier in Cirkova überhaupt wußten, was ihnen bevorstand, welchen Besuch sie kriegten. Das alte Schloß der Ravensteins lag einige Kilometer weit entfernt, in den Bergen. Esstand auf einem Plateau und war von dichtem Wald umgeben. Dort gab es noch Wölfe, und wenn es noch mehr schneite, dann kamen sie auf der Suche nach Beute auch bis in die Dörfer. In der letzten Zeit waren wieder Bären gesichtet worden. Auch sie würden ihren Hunger mit frischem Fleisch stillen wollen. Hatten sie erst einmal ihre natürliche Scheu überwunden, dann waren auch die Menschen nicht sicher.
Der Pfähler drehte sich um und drückte die Tür auf. Er lauschte den knarrenden Geräuschen. Sein Gesicht verzog sich. Die Geräusche schienen überlaut zu klingen. Es lag nur an der Stille, daß sie ihm so vorkamen. Er betrat die alte Halle.
Sie war kalt und leer.
Nichts war mehr zu sehen.
Kein Mensch hockte auf den beiden langen Holzbänken, die angekettet waren und sich gegenüberstanden. Der Boden war schmutzig. Die alten Steinfliesen mochten einmal ein Muster gezeigt haben. Nun aber war es verschwunden.
Er atmete die kalte Luft tiefein. Seine Stirn umwölkte sich. Er dachte nach. Er schaute auf die Uhr. Noch zehn Minuten, dann war die erste Stunde des neuen Tags vorbei.
Marek wollte warten. Bis zum Morgengrauen, wenn es sein mußte. Sollte der Zug dann nicht eingefahren sein, würde er in der nächsten Nacht wiederkommen, denn er glaubte nicht, daß sich der Schleicher getäuscht hatte. Bisher hatte er all seinen Informationen trauen können. Er war noch nie von ihm im Stich gelassen worden.
Der Schalter, hinter dem hin und wieder jemand hockte, der Fahrkarten verkaufte, war leer. Ein altes Holzrollo war vorgezogen worden. Rechts und links von ihm waren die Wände beschmiert. Kinder hatten dort ihre Figuren gemalt.
Marek durchquerte mit schleppenden Schritten die Halle. Es war kalt hier. Er hatte die Hände tief in den Manteltaschen vergraben. Der Atem wehte flatternd vor seinen Lippen, als er die warme Luft kondensierte.
Um den Bahnsteig zu erreichen, mußte Marek eine weitere Tür öffnen.
Es war eine Schwingtür, und er hörte ihr Schwapp-Schwapp, als sie hinter ihm zufiel und er wieder in die Zugluft trat.
Der Bahnsteig war leer.
Marek schaute nach rechts und links. Er stand unter einem Vordach in der Dunkelheit. Vor ihm rieselte der Schnee in dicken Flocken der Erde entgegen und bildete einen dichten Vorhang, den Marek nicht durchblicken konnte. Selbst die Schienen waren kaum zu erkennen, denn auch sie hatten eine weiße Farbe angenommen.
Er blieb an der Wand stehen und überlegte, ob er sich wirklich hier allein aufhielt. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, daß die Familie Ravenstein diesen Ort erreichte und einfach ausstieg, als wäre nichts geschehen. Wenn er seiner Logik folgte, dann mußte es jemand geben, der sie abholte. Schließlich mußten sie den Weg zum Schloß zurücklegen und es noch vor dem Hellwerden erreichen, wobei Marek davon ausging, daß der nächste Tag sicherlich nicht von einer strahlenden Sonne begleitet wurde. Trotz allem liebten die Vampire die Dunkelheit ihrer Särge und Grüften. Zu Fuß würden sie bestimmt nicht zum Schloß gehen.
Er hatte keinen Menschen gesehen, der die Ravensteins hätte abholen können. Was aber nichts heißen mußte. Es gab genügend Verstecke in der Nähe wie die Bretterwand jenseits der Gleise, die bei diesem Wetter kaum zu sehen war.
Marek griff zu einem alten Trick. Es war still um ihn herum. Er brauchte nicht weit zu gehen, um auf die Gleise springen zu können. Der Schnee rieselte sofort auf ihn nieder. Jedes Auftreffen der Flocken gegen seine Gesichtshaut war wie ein kalter Kuß.
Auf den Schwellen blieb er für einen Moment stehen und schaute in den wirbelnden Vorhang. Dann bückte er sich, kniete sich hin, drehte den Kopf und zuckte zusammen, als sein linkes Ohr die kalte Schiene berührte. Er gewöhnte sich schnell an die Temperatur, sie beeinträchtigte sein Hören nicht.
Es war nichts zu vernehmen. Kein fernes Vibrieren, kein noch so leises Rattern, es blieb still. Nur zwischen Ohr und Schiene schmolz der Schnee.
Der Pfähler richtete sich wieder auf. Er drehte sich
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