Bis euch der Pfähler holt!
schon in deinem kleinen Wagen gewartet, der draußen steht.«
»Wieso? Ich…«
»Nicht noch eine Lüge, alter Mann! Ich hatte dir gesagt, daß ich dich töten kann. Wahrscheinlich werde ich es tun. Ich kann dich mit meinen eigenen Händen zerschlagen. Niemand würde mich sehen, keiner würde um dich weinen, alter Mann. Das wollte ich dir sagen, bevor ich dich noch einmal frage, was du hier wirklich gewollt hast?«
»Mich umschauen!« keuchte Marek.
Horak nickte. »Das hatte ich mir gedacht. Du bist eben verdammt lügnerisch.«
»Warum sollte ich sonst mitten in dieser kalten Nacht auf dem Bahnsteig stehen?«
»An einem Bahnhof wartet man auf einen Zug. Du weißt genau, daß einer kommen wird, und es wird auch nicht mehr lange dauern. Ich aber mag es nicht, wenn jemand außer mir diesen Zug sieht. Er ist nicht für andere Augen bestimmt, und deshalb werde ich mein ›Versprechen‹ wahr machen müssen. Dein Tod ist für mich beschlossene…«
Das letzte Wort sprach er nicht mehr aus, denn er hatte etwas gehört.
Wie auch Marek. In der Ferne war ein leichtes Donnern aufgeklungen, gleichzeitig ein rumpelndes Geräusch, das nur eine Bedeutung haben konnte. Endlich kam der Zug.
Für Marek zum falschen Zeitpunkt, falls er es nicht schaffte, noch im letzten Augenblick den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Horak stand sprungbereit, nur schaute er nicht mehr Marek an, sondern in die Richtung, aus der der Zug kommen würde.
Es war genau die Ablenkung, die Marek eine gewisse Chance gab. Und er nutzte sie aus.
Plötzlich warf er sich herum und rannte los. Er achtete nicht auf die Schmerzen in seinem Leib und hatte Glück, daß er auf dem glatten Schneeboden nicht ausrutschte. Die Tür war zu weit entfernt, in die Halle konnte er nicht hinein, er mußte schon am Gebäude bis zu dessen Ende entlangrennen.
Hinter sich hörte er den Fluch, dann einen wütenden Schrei und einen Aufprall.
Er schaute sich nicht um. Horak hatte nicht das Glück gehabt wie er. Er war sicherlich gefallen, und Mareks Vorsprung vergrößerte sich. Er sah den tanzenden Flockenwirbel, wurde von ihm erwischt, torkelte in das Dunkel hinein und merkte kaum, daß er den Bereich des Bahnhofs schon verlassen hatte.
Das Hindernis im Schnee sah er nicht. Marek stolperte und fiel lang hin.
Er schlug in den weichen Schnee. Für einen Moment hatte er den Wunsch, einfach liegen zu bleiben. Im Unterleib wühlte noch immer der Schmerz. Das Laufen hatte ihn angestrengt, er keuchte seinen warmen Atem gegen den Schnee, der genau dort wegtaute. Das ›Bett‹ unter ihm war weich. Marek wußte, daß er verloren hatte und gleichzeitig der Gewinner war, falls ihm dieser Horak nicht folgte.
Dieser Gedanke riß ihn aus seiner unfreiwilligen Lethargie. Er richtete sich auf, spie dabei den kalten Schnee von den Lippen und schüttelte den Kopf.
Er blieb knien und drehte den Kopf.
Hinter ihm war alles dunkel. Keine Gestalt bewegte sich durch den weißen Vorhang. Horak hatte ihn nicht verfolgt, und das nicht ohne Grund. Der Zug lief ein.
Marek hörte das Zischen und Stampfen. Das Dröhnen, als wäre ein Gewitter im Anzug. Marek hatte nicht gesehen, wohin ihn seine Flucht führte. Erst jetzt, wo es ihm besserging, stellte er fest, daß er sich noch auf dem Bahnhofsgelände befand.
Er war parallel zum Schienenstrang gelaufen, hatte jedoch das schützende Vordach verlassen und stand inmitten der Flockenwelt.
Er drehte sich, so daß er gegen die Schienen schauen konnte. Einige Schritte lief er nach vorn, zog die Füße durch den Schnee und schaute dann nach links. Von dort kam der Zug.
Das Zischen der Dampflok war lauter geworden. Der aus dem Schornstein dringende Rauch vermischte sich mit den weißen Flocken, als wollte er sie fressen. Kleine Glutspritzer fegten ebenfalls aus der Öffnung. Das Licht der Lok tanzte wie ein einsames Auge über die Fahrstrecke hinweg, auch nur sehr verschwommen zu sehen.
Marek ging noch dichter an den Schienenstrang heran. Hier war nichts abgesperrt, es gab kein Gitter, und als er stehenblieb, da reichte es noch für einen Atemzug, bevor der Zug ihn erreicht hatte und sich langsam an ihn vorbeischob.
Eine alte Dampflok mit einem Tender dahinter, wo Holz und Kohle lagen.
Die Glut tanzte über Lokführer und Heizer. Sie sahen in diesem kurzen Moment aus, als hätte sie die Hölle entlassen.
Es folgte der Wagen.
Marek wischte sich über die Augen, um besser sehen zu können.
Der Zug wurde abgebremst und stand schließlich.
Ein
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