Bis hierher und weiter - Mit allen Nockherberg-Reden von Bruno Jonas
gesetz in Karlsruhe gescheitert ist. Die Sozialdemokraten freuen sich, wenn dem Schäuble etwas misslingt. Komisch.
Als sie selber regiert haben, die Roten mit den grünen, da haben sie unter Schily das gleiche gesetz auf den Weg gebracht, aber jetzt in der großen Koalition können sie sich nicht mehr daran erinnern. Das ist Politik. Und warum können sie sich nicht mehr erinnern? Weil sie damit kalkulieren, dass wir uns auch nicht mehr daran erinnern können. Und so ist es ja auch, wir können uns ja auch nicht mehr so richtig daran erinnern, oder? Was war das mit diesem gesetz zur Luftsicherheit? Da war doch was, gell? Schäuble will Unschuldige opfern? Irgendwie soll eine Abwägung getroffen werden. Nein, die Abwägung soll nicht getroffen werden. Das entführte Flugzeug mit den Unschuldigen an Bord soll getroffen werden. Aber auch nur, wenn es nicht anders geht.
Ich kann den Sachverhalt nicht genau beschreiben, in meinem Hirn haben sich nur Bruchstücke dieser geschichte abgelagert.
Wen betrifft das schon? Wann sitz ich schon mal in einem entführten Flieger?
Unwirsch lacht.
Haben Sie sich schon mal überlegt, was mit Ihnen passiert, wenn Sie in einem Flugzeug sitzen und auf einmal teilt Ihnen der Kapitän auf Deutsch, Englisch und vielleicht noch Italienisch mit, dass das Flugzeug gekidnappt wurde von, sagen wir, islamischen gotteskämpfern? Ich habe versucht, mir die Situation vorzustellen. Könnte sein, dass ich ganz eilig mal aufs Klo müsste. Aber warum sollte ich, kurz bevor mich der Schäuble abschießen lässt, noch mal aufs Klo gehen? Möglicherweise würde sich dieser gang erübrigen. Ich könnte mir vorstellen, dass ich mir sag: Ach was, das rentiert sich nicht mehr, ich geh drüben.
Ich weiß es ja nicht, wie ich in solch extremen Notsituationen reagiere. Vielleicht bleib ich ganz ruhig. Mache noch den einen oder anderen Witz, damit ich auch gut gelaunt drüben ankomme.
Möglicherweise sind Kabarettisten an Bord, die bis zum bitteren Ende einen gag nach dem anderen machen, zu Ackermann, Stoiber, Merkel, Müntefering, große Koalition, also nur über das ganz Wichtige reden. Und die einfach nicht aufhören. Immer noch einen drauf.
So ähnlich wie das Streichquartett auf der Titanic, das bis zum Untergang gespielt hat. Da lief dem geiger das Wasser schon ins F-Loch, da hat der immer noch gefiedelt. Mit Musik untergehen ist auf jeden Fall besser als ohne. Vielleicht fängt man auch zu beten an. Das kann ich nicht ausschließen. Bei meiner katholischen Vergangenheit würde mich das nicht wundern, wenn ich plötzlich ein Vaterunser aus mir rausmurmeln würde. »Vater unser, der Du bist im Himmel, geheiligt werde Dein Name …«, tja, und da stock ich schon … Ich spring gleich auf das »gegrüßt seist Du Maria, … gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes, Jesus … unter den Weibern …« War da nicht irgendwas mit Weibern? - Ich weiß es nicht mehr.
Buddhisten fangen vielleicht an, ihren Atem zu beobachten. Und singen Om und immer wieder Om.
Die Zeugen Jehovas werden stinksauer, weil sie jetzt beim nächsten Weltuntergang nicht mehr dabei sein können. Sie fangen an zu klagen.
Aber wie reagieren Atheisten? Haben die eine Strategie für den seelischen Ernstfall? Holen die eine Liliputausgabe von Sartres Das Sein und das Nichts raus und rufen »Der Mensch ist frei!«?
Mein gott, für den Atheisten dürfte diese Situation in der Warteschleife vor der Ewigkeit kaum ein Problem sein. Er ist ja sicher, dass danach nichts kommt. Er sagt ganz cool: O.k., dann steh ich jetzt gleich vor dem Nichts!
Ich habe in der Zeit eine treffende Formulierung für Atheisten gelesen. Lesen Sie die Zeit? Nicht? Versteh ich, man braucht viel Zeit, um die Zeit lesen zu können. Atheisten seien »Leute mit der religiösen Blutgruppe Null«. Ich finde das klasse formuliert. Denn die Blutgruppe Null ist mit allen kompatibel. Die Blutgruppe Null kann jedem gespendet werden.
Kritisch wird es für einen Atheisten nur, wenn er bisher sicher war, Atheist zu sein, und nun unter diesen Umständen, im Angesicht des Todes, auf einmal erkennen muss, dass er nur an ein Nichts geglaubt hat, das es tatsächlich gar nicht gibt. Himmel Herrgott noch mal, das wäre peinlich. Man sitzt in einem Flugzeug, das Kurs genommen hat auf die Ewigkeit, und klammert sich an das Nichts und merkt, dass es nicht existiert. Was ist das? Ironie der geschichte?
»Jenseits der gewissheiten und gewohnheiten erstreckt sich die unkartierte See!« Auch
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