Bis hierher und weiter - Mit allen Nockherberg-Reden von Bruno Jonas
is heit wos?« Damit gibt der Niederbayer seine Einstellung zum Seinsgeschehen kund. Er lässt zu, dass was sein kann. Es handelt sich hierbei um die niederbayerische Seinszulassung. Der Niederbayer geht davon aus, dass etwas ist. Das Nichts kommt in seinem Denken nicht vor. Das Nichts gibt es nicht für den Niederbayern. Mit dem Existenzialismus kann der Niederbayer nichts anfangen, auch wenn das Leben hart ist. Wenn er daher mit aufgerissenen Augen ausruft: »Lass amoi wos sei!«, will er damit offen dafür sein, dass sich das Sein ganz schnell einstellen kann. Der Niederbayer glaubt an die ontologische geschwindigkeit des Seins. Das heißt, es kann immer auf der Stelle etwas sein, und man weiß nicht, was es ist. »Wia schnell ist heit wos?« Das kann auch eine Angst ausdrücken, dahin gehend, dass etwas ist, was besser nicht wär. Aber dann gilt trotzdem: Lass amoi wos sei.
Das nennt der Sloterdijk Polyvalenz. Der Niederbayer legt dagegen Wert auf die Seinsgelassenheit. Drum sagt er: »Lass einmal was sein!« Und fügt angstvoll an: »Wie schnell ist heut was?« Eigentlich werden hiermit die beiden von Heidegger in die philosophische Debatte eingeführten Kategorien der Langeweile und der Angst niederbayerisch zum Klingen gebracht. Und damit natürlich überwunden!
Unser Fazit kann nur ein Sowohl-als-auch sein. Das Sein kann also immer ein Sowohl enthalten, aber auch ein Sowohl-als-auch. Es kann alles immer sowohl als auch und auch einerseits und andererseits sein, mehr oder weniger. Oder wie der Bundeskanzler Schröder immer zu sagen pflegte: gelegentlich. Die Welt ist gelegentlich!
Es gibt nichts Eindeutiges mehr, die Welt ist unklar, und der Philosoph erkennt ein Chaos, mehr oder weniger und gelegentlich.
Peter Sloterdijk sagt: »… die Seele flirtet mit der Maschine (das stimmt nicht mehr ganz, ich glaube, da kam es längst zum Koitus, wir haben schon biologische Computer!), der geist ist von der Materie zu bilateralen gesprächen eingeladen (schon, aber der geist wartet immer noch darauf, dass die Materie endlich den Mund aufmacht und was sagt), Natur und geschichte einigten sich längst im grundsätzlichen (ist nicht mein Thema), die mächtigsten Dichotomien (= Zweiteilung) schwimmen verwässert dahin, überall weht ein geist von großer Koalition …« Was die große Koalition betrifft, stimme ich zu. Was den geist dabei angeht, weniger. All das sagt Sloterdijk. Meine Mutter hätte geantwortet: Wo er’s nur grad wieder hernimmt!
Und ich möchte ergänzen: Wer weiß, dass er nichts wissen kann, und trotzdem so tut, als könnte er was wissen, der ist wahrscheinlich ein Depp! Oder ein Berater, ein Consulter.
Zu mir haben die Lehrer in der Schule immer gesagt: Bua, schalt dein Hirn ein, du hast doch einen Verstand! Oder wie der alte Kant, auch ein Niederbayer im geiste, immer gesagt hat: Wage deinen Verstand zu gebrauchen!
Heute muss die Forderung lauten: Wage nicht, deinen Verstand zu gebrauchen, denn du wirst blöd dabei! Diesen Satz haben sich viele in der Politik zu Herzen genommen. Deshalb werden immer mehr Berater in der Politik engagiert, damit die Politiker nicht selber den Verstand gebrauchen müssen. Irgendwo hat neulich sogar einer gesagt, das Beziehungsgeflecht von Beratern und Beratenen in der Politik könnte man als »organisierte Verantwortungslosigkeit« beschreiben. Aber das macht keiner, weil ein Berater davon abgeraten hat.
Es ist alles so kompliziert geworden. Sagen viele, die den Verstand nicht mehr gebrauchen wollen. Alles ist komplex und wird immer komplexer, und die Denkkapazitäten reichen nicht aus, um das Komplexe zu verstehen. Und deshalb haben wir Berater immer mehr zu tun.
Mein großes Vorbild als Consulter war immer der Plato. Der hat im alten griechenland eine kleine Consultingagentur gehabt, ein bissl großspurig Akademie genannt, die ziemlich erfolgreich gearbeitet hat. Der hat damals auch alles gemacht. Vom Publishing über Lobbying bis zum Philosophing. Die haben sogar noch selber gerechnet. geometrie haben die auch noch angeboten. Hat einfach dazugehört. Das gleichschenklige Dreieck war damals in aller Munde.
Und was mich immer fasziniert hat am Plato, waren seine Mythen und seine gleichnisse. Vor allem seine Höhle, das Höhlengleichnis. Das ist eine ganz alte PowerPoint-Präsentation - der Plato war damals im Consulting ein ganz ein großer. Der hat erst einmal die Lage analysiert und dieses gleichnis von der Höhle erfunden, um seine Kunden zu überzeugen.
Weitere Kostenlose Bücher