Bis hierher und weiter - Mit allen Nockherberg-Reden von Bruno Jonas
selbst zu relativieren. Im Humor kann er sich selber anschauen, kann sehen, wo er steht. Der humorempfängliche Mensch kann sich mit dieser Empfindungsweise selbst verorten auf der Strecke zwischen einer ständig wirksamen Endlichkeit im Diesseits und einer spekulativen Unendlichkeit im Jenseits. Papst Johannes der XXIII. brachte diesen Zusammenhang zum Ausdruck, als er sagte: Mensch, giovanni, nimm dich nicht so wichtig. Für einen Papst, der unfehlbar ist nach offizieller Kirchenlehre, ist das ein beachtliches Maß an Humor.
Vielleicht hatte er Jean Paul gelesen, der im § 33 feststellt:
»Wenn der Mensch, wie die alte Theologie tut, aus der überirdischen Welt auf die irdische herunterschaut, so zieht diese klein und eitel dahin (wenn man genau hinschaut, so kann man sogar Päpste und Kardinäle und viele Priester dabei entdecken und beobachten), wenn er mit der kleinen, wie der Humor tut, die unendliche ausmisset und verknüpft: so entsteht jenes Lachen, worin noch ein Schmerz und eine größe ist.«
Der Blick aus der Unendlichkeit auf die Endlichkeit ist ein Blick aus der Welt des Paradieses in die Welt des Mangels. Nur aus der Perspektive des ewigen Lebens im Paradies braucht niemand Humor. Humor ist eine ganz und gar diesseitige Empfindungsweise, eine Konditionierung, um in der Endlichkeit über sich selber lachen zu können, im Wissen um die Vergänglichkeit im Hier und Jetzt.
Wer aber von hier aus, also von der Endlichkeit, die Unendlichkeit ausmisset, wie der Jean Paul sagt, der überschätzt seine Fähigkeiten gewaltig und wird vielleicht größenwahnsinnig. Wenn er sich aber seiner Selbstüberschätzung bewusst wird, hat er zwei Möglichkeiten. Er kann selbstbewusst damit weitermachen und sich für den größten halten oder er kann sich mit Humor betrachten, und in dem Fall wird er über sich lachen können.
Drum schlag ich vor: Nehmen wir unseren glauben mit Humor, dann kann er zu einer Quelle des Versöhnens werden, mit uns selbst, den Menschen und gott (ja, dem könnten wir dann auch einmal was verzeihen). Und nehmen wir den Humor zusammen mit dem glauben an, dann führt auch das zur Versöhnung, weil der mit Humor gesegnete glaubende wird im Zustand der dramatischen Ironie immer schon um die gute Absicht und das Ziel des Humors wissen. Der glaubende sollte seinem gott für das geschenk des Humors dankbar sein, weil ihm diese Empfindungsweise die Möglichkeit gibt, eine Distanz zu seinem glauben einzunehmen. Er kann dadurch sich und seinen glauben kritisch betrachten, ohne ihn in zynischer Weise zu vernichten. Weil im Humor der versöhnende Anteil mit dem glauben verschmilzt. Dann lachen nicht nur wir, dann lacht auch gott mit uns.
Und wenn beide Empfindungsweisen miteinander verbunden werden können, Humor und glauben, dann entsteht eine versöhnende Bewegung zwischen vollkommener Perfektion und kompletter Unzulänglichkeit. Dann »gleitet das Komische ohne Reibung der Vernunft und des Herzens vorüber und der Verstand bewegt sich in einem weiten, luftigen Raum frei umher, ohne sich an etwas zu stoßen« (Jean Paul).
Homiletik
Die Homiletik ist die Lehre von der Predigt. Schlaue Köpfe haben sich schon früh kluge gedanken darüber gemacht, wie eine gute Predigt aufgebaut werden muss, damit sie ihr Ziel, nämlich die gemeinde geistig zu nähren, erreicht. Natürlich war Aristoteles wieder einmal der Erste, der die sprachlichen und geistigen Fundamente der Rednerkunst gelegt hatte. Viele folgten. Bei den alten Römern stand ein guter Redner in hohem Ansehen. Cicero war einer der Stars, die im Senat und vor gericht mit ihren Reden große Wirkungen erzielten, die ihn bis in das höchste Staatsamt der römischen Republik hinaufgetragen haben.
Heutzutage können auch weniger begabte Redner in höchste Ämter gelangen. In manchen Regionen dieser Republik scheinen rhetorische Mängel eine Bedingung dafür zu sein, dass ein Politiker für Spitzenpositionen auserwählt wird. Möglicherweise will das Publikum vom Redner nicht mehr mitgerissen werden. Ich habe den Eindruck, dass der Wähler in diesem Lande gern Politiker wählt, mit denen er Mitleid haben kann, weil sie entweder nicht richtig reden können oder Probleme haben beim Verfertigen der gedanken. Vielleicht täusche ich mich aber auch.
Als ich das Angebot, auf dem Nockherberg die sogenannte Fastenpredigt zu halten, angenommen hatte, fragten mich Journalisten, ob ich rhetorische Vorbilder hätte. Beinah hätte ich geantwortet: Stoiber! Aber man
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