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Bis ich bei dir bin

Bis ich bei dir bin

Titel: Bis ich bei dir bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Hainsworth
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größer, doch sie regt sich immer noch nicht und gibt keinen Laut von sich.
    In der Grundmauer des Hauses ist eine kleine Vertiefung, in die mein Fuß schon immer genau hineingepasst hat. Ich behalte Viv sorgsam im Auge, bevor ich die Schuhspitze hineinschiebe und mich am Fenstersims hochstemme. Innen gibt es eine Banknische unter dem Fenster, doch ich traue mich nicht ganz hinein, für den Fall, dass ich mich wieder aus dem Staub machen muss.
    Also hocke ich mich seitlich auf den Sims und nehme ihren Anblick in mich auf. Sosehr ich mich in den letzten zwei Monaten angestrengt habe, sie genau in Erinnerung zu behalten, habe ich doch vergessen, wie schön sie ist. Selbst in einem alten Sweatshirt, mit verheulten Augen und strubbeligen Haaren, und ich muss mich schwer beherrschen, um nicht ins Zimmer zu stürmen und sie an mich zu reißen.
    Ihre Unterlippe zittert. Sie hat sich nach wie vor nicht vom Fleck bewegt, aber ihre Augen glänzen. Unwillkürlich legt sie eine Hand auf ihren Magen und führt die andere bebend an den Mund. Mir wird klar, dass sie im Nachteil ist. Ich weiß inzwischen, dass keiner von uns beiden ein Geist oder Zombie oder sonst etwas ist, sie aber nicht.
    Ich strecke die Arme nach ihr aus.
    »Ich bin es«, sage ich leise. »Keine Angst.«
    Sie keucht auf, aber das Eis scheint gebrochen zu sein. Sie stürzt auf mich zu, als würde ihr Körper instinktiv reagieren, zaudert jedoch plötzlich wieder, und ich halte gespannt die Luft an. Skepsis zeichnet sich auf ihrem Gesicht ab – und Furcht. Wie in Zeitlupe berührt sie meine Wange und zuckt bei dem Hautkontakt zusammen. Ihre Fingerspitzen gleiten vorsichtig über mein stoppelbärtiges Kinn, während ihre andere Hand sich meinem Hals nähert. Ich halte sie mit meinem Blick fest und will sie nicht verschrecken. Sie betastet mein Gesicht, meine Haare, als müsste sie meine Echtheit prüfen. Ich bemühe mich, nicht zu lachen – oder zu weinen. Schließlich, als verließen sie ihre Kräfte, sinkt sie mir gegenüber auf den Fenstersitz. Ihre Finger gleiten von meinem Nacken über meine Kehle zu meinen Lippen.
    »Du bist es wirklich«, flüstert sie.
    Ich ziehe sie an mich, woraufhin sie mich leidenschaftlich umarmt und alles Zögern über Bord wirft. Unsere Lippen finden sich, begierig, hungrig. Ihr Mund ist warm und weich und genau so, wie ich ihn in Erinnerung habe. Ihr Duft steigt mir zu Kopf wie der erste Frühlingstag des Jahres. Sie streichelt meinen Nacken und lässt mich erschauern, eine Spezialität von ihr. Ich grabe meine Finger in ihre kurzen Locken, die genauso sexy sind wie die langen Haare, und taste nach ihrer Taille, ihrer nackten Haut, so warm und weich, dass ich ganz darin versinken möchte. Wir küssen uns, als wollten wir uns gegenseitig verschlingen, und es ist das Tollste und Elektrisierendste, was ich je empfunden habe.
    Irgendwann müssen wir Luft holen, halten uns aber weiter so eng umschlungen, dass wir praktisch eins sind. Ich ziehe die Schwünge ihrer Augenbrauen mit Küssen nach, wobei sie erregt seufzt, wie immer. Dann legt sie den Kopf an meine Schulter, und ich schließe die Augen und atme diesen Moment ein, tief und bewusst, damit er nie vergeht. Sie hält mich fest, wird aber auf einmal seltsam reglos. Ich spüre ihren Herzschlag. Ich spüre, wie sie zu zittern beginnt.
    Als ich mich ein wenig zurückbeuge, sehe ich, dass sie weint.
    »O nein«, sage ich und wische ihre Wange mit dem Daumen ab. »Es ist alles gut.«
    Sie schluchzt erstickt und schüttelt den Kopf.
    »Es tut mir so leid.«
    Ich küsse ihre Augenlider, schmecke ihre Tränen.
    Ein tiefes Stöhnen dringt aus ihrem Mund, und sie vergräbt ihren Kopf an meiner Brust.
    Jemand donnert an die Tür.
    »Viv? Ist alles in Ordnung? Mach auf.«
    Sie fährt kerzengerade hoch und starrt mich an wie – ein Gespenst.
    »Mein Dad!«
    »Schon gut.« Ich mache Anstalten, vom Sims zu rutschen. »Ich verschwinde.«
    »Nein!« Erschrocken senkt sie die Stimme. »Geh nicht – lass mich nicht wieder allein.«
    Ihre Augen sind weit aufgerissen vor Panik.
    »Viv, wenn du nicht sofort die Tür aufmachst …«
    Ich nehme ihr Gesicht zwischen die Hände und küsse sie noch einmal fest. »Ich komme wieder, versprochen.«

SIEBZEHN
    V on der anderen Straßenseite aus beobachte ich, wie Vivs Vater um das Haus patrouilliert, als wäre es Fort Knox. Er hätte ihr niemals geglaubt, wenn sie abgestritten hätte, dass sie sich über etwas aufgeregt hat, schon gar nicht nach einem Blick

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