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Bis ich bei dir bin

Bis ich bei dir bin

Titel: Bis ich bei dir bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Hainsworth
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wissen, dass diese Welt besser ist, wenn ich deine nicht gesehen habe?«
    Ich verliere mich in ihren seidigen Locken. »Du verpasst dort nichts.«
    »Bring mich dorthin.«
    »Wohin?«
    »Na dahin, wo du herkommst, ich will es sehen. Ich will mich davon überzeugen, dass es wirklich existiert.«
    Ich richte mich auf, sehe befremdet auf sie herab. »Du willst … hinüber in meine Welt?«
    »Ja, lass uns gleich gehen.«
    »Jetzt?«
    Sie hockt sich auf die Knie. »Klar, dann können wir vergleichen, welche Welt besser ist. Los, komm!«
    »Moment mal, wieso ist das denn plötzlich ein Wettbewerb?«, murmele ich und versuche, sie zu bremsen.
    Meine Gedanken rasen, ich bin unschlüssig, was ich tun soll. Das scheint mir keine gute Idee zu sein. Andererseits, war ich selbst nicht genauso neugierig auf diese Seite? Natürlich möchte sie so etwas Unglaubliches mit eigenen Augen sehen. Meine Viv war schon immer impulsiv, und als ich jetzt das fröhliche Funkeln in ihren Augen sehe, wird mir ganz warm ums Herz. Genauso hat sie mich angeguckt, als sie vorschlug, mit Zelt und Rucksack in die Wildnis aufzubrechen, an unserem letzten gemeinsamen Wochenende. Wir zogen einfach los, obwohl wir wussten, dass es Leichtsinn war, so etwas auf eigene Faust zu unternehmen. Aber es war auch ein Abenteuer, spontan und aufregend. Sie wollte beweisen, dass wir das konnten, oder zumindest, dass sie es konnte. Ich blicke in diese vertrauten dunklen Tiefen, und aus der Wärme wird eine Hitze, die mich verzehrt. Das ist meine Viv.
    »Bitte, bitte«, bettelt sie. »Das ist nicht gerecht, dass du hierherkommen darfst, und ich darf nicht sehen, wie es dort drüben ist. Ich bin total gespannt.«
    »Es ist eigentlich nicht viel anders.«
    Sie wirft mir die Arme um den Hals. » Bitte! «
    Ich schließe die Augen, kann aber dem seidigen Timbre ihrer Stimme nicht entrinnen. Es wird ewig eine starke Sehnsucht nach ihr in mir auslösen. Flüchtig denke ich an Nina, die dieses Vorhaben zweifellos für mehr als riskant halten würde, aber Nina ist nicht hier. Ich seufze schwer, wie schon so oft, wenn ich Viv nachgeben musste, doch kaum habe ich den Atemzug ausgestoßen, fühlt sich alles so wunderbar richtig an, gerade weil es ein altes Spiel zwischen uns ist. Sogar das habe ich vermisst. Jetzt muss ich mich richtig anstrengen, nicht zu lächeln und weiter so zu tun, als wäre ich überhaupt nicht einverstanden.
    »Na schön, aber du wirst dich langweilen.«
    Sie klatscht jubelnd in die Hände, ehe sie merkt, was sie tut, und sich den Mund zuhält. Ich ziehe sie auf die Beine.
    »Wir müssen aber sehr vorsichtig sein, damit dich niemand sieht, denn …«
    »Ach so, klar.« Sie grinst. »Ich bin ja tot.«
    Sie schleicht auf Zehenspitzen zu ihrem offenen Fenster und klettert hinein. Die Außenbeleuchtung ist heute zum Glück nicht an. Ich höre sie drinnen im Dunkeln herumkramen, und als sie wieder herausspringt hat sie ihre rot-weiße Rams-Jacke gegen einen schwarzen Pulli ausgetauscht. Obendrein hat sie sich einen Seidenschal um den Kopf gebunden und eine dunkle Sonnenbrille aufgesetzt. Die Kombination verleiht ihr Ähnlichkeit mit einem Hollywood-Starlet von früher.
    Ich ziehe die Brille herunter. »Eine Sonnenbrille? Nachts?«
    Sie schiebt sie sich wieder auf die Nase und wirft den Kopf zurück.
    »So erkennt mich niemand.«
    Ich ziehe spöttisch die Augenbrauen hoch. Dieses Ensemble würde für alle, die sie kennen, total nach Viv aussehen, doch ich widerspreche ihr nicht. Schließlich habe ich nicht vor, heute Nacht jemandem zu begegnen.
    »Na gut, dann spare ich mir die für später auf.« Sie nimmt die Brille ab, steckt sie in die Hosentasche und hakt sich bei mir unter. »So, jetzt zeig mir dieses grüne Licht.«
    Lächelnd drücke ich ihre Hand. Ich halte es nicht aus, wenn wir uns nicht berühren, denn ich will in jedem Moment daran erinnert werden, dass sie bei mir ist.
    »Hier soll es sein?«, fragt Viv.
    »Ja, aber du kannst es nicht sehen, bevor du hineinfasst.«
    Ich strecke die Hand seitlich des Strommasts nach der richtigen Stelle aus.
    »Genau hier?«
    Ihr panischer Ton lässt mich herumfahren. Sie steht neben mir, die Arme um sich geschlungen, als würde sie frieren. Ihre Augen funkeln wild, ihr Gesicht aschfahl. Sie macht den Eindruck, als müsste sie sich gleich übergeben.
    »Was hast du denn?« Ich fasse sie an den Schultern, reibe ihre Arme. Ihre Haut ist feuchtkalt.
    Vivs Blick wandert gehetzt von dem Mast über das Gebüsch auf den

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