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Bis ich bei dir bin

Bis ich bei dir bin

Titel: Bis ich bei dir bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Hainsworth
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Gehweg und wieder zurück, aber ich halte sie fest, und schließlich sieht sie mich an. Ihr Atem beruhigt sich, und ihr Gesicht bekommt langsam wieder Farbe in dem trüben Straßenlicht.
    »Ich bringe dich nach Hause«, sage ich.
    Sie fasst mich am Ärmel.
    »Nein, ich …« Sie gerät ins Stocken. »Es ist nur hier, wo du …«
    »Wir sind beide an dieser Stelle gestorben«, sage ich, nehme ihre Hand und reibe sie sanft, um sie zu wärmen. »Aber darauf kommt es nicht mehr an, denn jetzt stehen wir zusammen hier.«
    Sie nickt mechanisch und klammert sich an mich.
    »Bist du sicher, dass du das tun willst?«, frage ich. »Es gibt wirklich nicht viel zu sehen.«
    Sie richtet sich gerade auf. »Doch.«
    Ich fuchtele in der Luft herum, und wir beobachten, wie sie grün aufleuchtet, als meine Finger den richtigen Punkt treffen.
    »Oh.« Viv streckt ebenfalls die Hand aus, aber vorsichtiger. »Ist das … ungefährlich?«
    »Keine Angst, ich pass auf dich auf.«
    Ich gehe zuerst in das Leuchten hinein, ohne ihre Hand loszulassen. Als ich vollständig in das prickelnde Licht eingetaucht bin, drehe ich mich um und will ihr hindurchhelfen.
    »Du bist ganz grün!«, ruft sie erschrocken.
    »Mach einfach die Augen zu«, sage ich hastig. »Es kribbelt ein bisschen, aber ich ziehe dich schnell hinüber.«
    Sie packt meine Hand ganz fest und schließt gehorsam die Augen. Auf der anderen Seite trete ich rasch aus dem Licht heraus und ziehe sie mit mir wie bei einem Tanz. Sie strauchelt ein wenig, doch ich fange sie auf, woraufhin sie nach Luft schnappt und die Augen öffnet.
    »O Gott, das war …« Sie sieht sich um, erkennt die Schule, das Gebüsch, die Ampel. »Wir sind ja nirgendwo hingegangen!«
    Ich küsse sie lächelnd.
    »Hab ich doch gesagt, alles genau das Gleiche. Total langweilig, außer dass du jetzt hier bist.«
    »Und das soll ich dir einfach glauben? Ich will selbst sehen, was anders ist.«
    »Na ja, da wäre das Fenster vom Kunstsaal.« Ich zeige auf die Schule. »Auf eurer Seite ist es nicht mit Brettern vernagelt.«
    Sie hebt eine Augenbraue, ohne sagen zu müssen, wie schwach das ist.
    »Hm, okay, lass mich nachdenken.«
    Ich zermartere mir das Hirn nach etwas, das sie zufriedenstellen könnte. Mom liegt möglicherweise zu Hause auf der Lauer, das wäre ihr zuzutrauen. Ein Jahrbuch besitze ich nicht, außerdem wären wir da sowieso nicht drin. Und es ist ziemlich schwer, jemandem so ungreifbare Sachen zu zeigen wie mit wem man nicht befreundet ist und was man in dieser anderen Welt nicht getan hat. Es bedrückt mich, nur daran zu denken. Wir könnten natürlich zu ihrem Haus hier gehen, aber das wäre vielleicht ein Schock, und ich will es nicht riskieren, auf ihre Eltern zu treffen. Alles, was mir einfällt, ist so furchtbar deprimierend.
    »Ich weiß! Bring mich zu meinem Grab!«, schlägt sie vor.
    Es schaudert mich – das ist ja morbid. Noch kälter überläuft es mich, als mir klar wird, dass es dort hinter dem grünen Licht ein Grab mit meinem Namen darauf gibt.
    »Nein«, sage ich.
    »Ach komm schon, ja? Sonst glaube ich doch nie, dass ich tot bin.« Ihre Miene wird zweifelnd. »Vielleicht bin ich ja auch nur verrückt geworden?«
    Ich seufze. Das Gefühl kenne ich. »Kannst du mir nicht einfach vertrauen?«
    Sie schweigt einen Moment.
    »Ich weiß nicht. Was ist, wenn du aus irgendeinem anderen Grund zu mir zurückgekommen bist?«
    Ich streiche ihr die Haare aus der Stirn. »Aus was denn für einem anderen Grund?«
    Ein betroffener Ausdruck huscht über ihr Gesicht. »Vielleicht treibt das Universum sein Spiel mit mir – wegen all der schlimmen Sachen, die ich gemacht habe«, sagt sie tonlos.
    »Schlimme Sachen?« Ich hebe ihr Kinn an, damit sie mir in die Augen sieht. »Wie dich aus dem Haus zu schleichen, um mit mir Unfug zu treiben?«
    »Vielleicht.« Sie bringt ein Lächeln zustande. »Unfug treiben fällt mir schwer, bevor ich gesehen habe, was ich sehen muss.«
    »Aber es ist ein Friedhof.«
    »Ein Friedhof ist ein Ort wie jeder andere auch. Das hat nichts zu bedeuten.« Sie lehnt ihre Stirn an meine. »Außerdem stehe ich hier quicklebendig vor dir.«
    Sie erstickt die Einwände, die mir auf der Zunge liegen, mit einem langen, leidenschaftlichen Kuss. Mein Herz hüpft wie wild, und ich kann nicht klar denken. Möglicherweise hat sie recht, es ist nur ein Ort.
    »Na schön, sehen wir es uns an«, willige ich schließlich ein. »Es ist eben nur ein bisschen deprimierend.«
    Sie zieht mich die

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