Bis ich bei dir bin
zu bedeuten hat?«
»Es bedeutet, dass ich den Kram abgenommen habe.« Ich zerknülle die Alufolie.
»Ist bloß merkwürdig. Erst gehst du schon zu Boden, wenn Logan dich nur scharf anguckt, und auf einmal spielst du den Ritter bei Tash und provozierst einen Kampf. Was ist an diesem Wochenende passiert, Cam?«
Ich stehe schnell auf und werfe den Rucksack über. »Ich kann nicht ewig ein Trauerkloß bleiben.«
ZWEIUNDZWANZIG
E s dämmert gerade erst, als ich zu der Straßenecke komme, aber ich habe die Warterei satt. Wenn ich nicht mit Viv zusammen bin, fühle ich mich nie so richtig vollständig. Nachdem ich durch das grüne Licht geschlüpft bin, schlage ich sofort den Weg zu ihrem Haus ein. Am Himmel hängen dicke Wolken, aber für Schnee ist es noch nicht kalt genug. Trotzdem gehe ich schneller, um nicht zu frieren.
Ich denke über Zufluchtsorte für Viv und mich nach, möglichst etwas Wärmeres als der Spielplatz, eventuell ein Kino. Im Dunkeln würde uns keiner sehen. Plötzlich, als ich halb eine Kreuzung überquert habe, lässt mich das Geräusch von Stimmen aufhorchen, und ich bemerke eine Gruppe von Highschool-Kids, die direkt auf mich zukommt. Ein paar Jungs und ein, zwei Mädchen, aber ich erkenne keinen von ihnen auf den ersten Blick. Sie sind in ein Gespräch über eine Fernsehserie vertieft, bis auf einmal einer zu mir herüberblickt – Logan!
Er bleibt stehen, ich bleibe stehen, und unsere Herzen bleiben beide auch eine sekundenlange Ewigkeit stehen, nach seinem Gesicht zu urteilen. Noch nie habe ich diese unsteten, berechnenden Augen so weit aufgerissen gesehen.
»Hey …«
Ich mache mich aus dem Staub, ehe er noch mehr herausbringt.
Schneller, als ich jemals als Quarterback gesprintet bin, renne ich durch die Gärten hinter den Wohnhäusern. Ziehe die Kapuze meines Hoodies ins Gesicht, springe über einen Zaun, weiche einem Pool aus und mache einen langen Satz über eine Seitengasse zum nächsten Häuserblock. Renne die Straße entlang, bis ich merke, dass ich dort zu sehr auffalle, woraufhin ich hastig in eine Einfahrt und hinter eine Garage flitze. Ein Hund bellt mich an, ich springe aufs Nachbargrundstück und erkenne, wo ich bin. Als ich mich umsehe, scheint mir niemand auf den Fersen zu sein, also durchquere ich auf schnellstem Weg zwei weitere Gärten und gelange zu Ninas Haus. Dort drücke ich mich hinter den Büschen neben der Veranda an die Hauswand und warte darauf, dass eine Gang aus fünf Leuten mich aufstöbert.
Nach mehreren Minuten ereignisloser Stille schlägt mein Herz nicht mehr ganz so heftig, und mein Gehirn hat offenbar aus dem Flucht-oder-Kampf-Modus auf normal geschaltet, denn mein rechtes Bein brennt plötzlich, als stünde es in Flammen. Als ich aus meinem Versteck heraushumpele, sehe ich nur die leere Fahrbahn, und zu hören ist nichts als ein aufjaulender Automotor einen Block weiter. Ich bücke mich und massiere die strapazierten Muskeln über meinen schmerzenden Knochen. Was bin ich bloß für ein Vollidiot. Warum habe ich nicht besser aufgepasst, verflucht noch mal?
Etwas weiter die Straße hinunter brüllt jemand etwas, und ich erstarre. Das Gefühl relativer Sicherheit verlässt mich wieder. Ich greife nach dem Verandageländer, zögere jedoch. Bei meiner letzten Begegnung mit Nina war alles so seltsam. Wie wird sie reagieren, wenn ich jetzt an ihre Tür klopfe? Durchdringendes Quietschen von Reifen auf Asphalt schreckt mich auf und verschiebt schlagartig meine Prioritäten. Was geschieht, wenn ich hier draußen erwischt werde? Ich husche zur Veranda hinauf und drücke die Türklingel. Es läutet im Haus, die Sekunden vergehen, aber ich höre niemanden kommen. Ich klopfe an, tänzele nervös herum, blicke forschend in die Nacht. Gott sei Dank hat heute niemand das Verandalicht angeschaltet. Gerade will ich noch einmal klingeln, als die Tür endlich aufgeht und Owen zu mir hochstarrt.
Ich schiebe ihn beiseite, betrete die sichere Diele und lege den Riegel vor. Aufatmend lehne ich mich an die Wand. Owen mustert mich immer noch stumm.
»Hey, Kumpel«, begrüße ich ihn. »Wie geht’s?«
Er lächelt schwach, sagt jedoch nichts.
»Äh, ist Nina da?«
Er zuckt die Achseln. Sein Pony klebt schweißnass an seiner Stirn, und er ist leichenblass.
Ich knie mich vor ihn hin.
»Owen, wo ist Nina?«
Sein Blick ist glasig und unfokussiert. Was hat Nina noch einmal gesagt, dass er hat? Diabetes? Was tut man überhaupt dagegen? Ich sehe mich nach Anzeichen um, ob
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