Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis ich bei dir bin

Bis ich bei dir bin

Titel: Bis ich bei dir bin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Hainsworth
Vom Netzwerk:
jedoch ins Leere, und dann bin ich es, der durch die Dunkelheit stürzt.
    Allein.
    Schwitzend und mit Herzrasen wache ich auf. Ich kann mich kaum bewegen, es ist, als würde ein bulliger Offensivspieler auf meiner Brust sitzen. Die Traumbilder zucken nach wie vor durch meinen Kopf, und ich muss mir die vergangene Nacht noch einmal Schritt für Schritt ins Gedächtnis rufen, um mich zu vergewissern, dass ich Viv sicher ins Bett gebracht habe. Ich setze mich auf und sehe zur Uhr: 03:26. Als ich mir das Gesicht mit dem Bettbezug abwische, fällt mir Ninas Kuss wieder ein. Ich sacke zurück aufs Kopfkissen. Könnte ich ihn doch ungeschehen machen, hätte ich mich doch schneller verweigert. Als ich nach Hause kam, habe ich mir sofort die Zähne geputzt und gegurgelt, aber nun reibe ich mir erneut über den Mund, als könnten da immer noch Spuren sein, irgendein Beweis, den Viv vielleicht bemerkt.
    Ich werfe die Bettdecke von mir und stehe auf. Im Zimmer ist es warm und stickig, also öffne ich das Fenster. Die kalte Herbstluft strömt herein und macht meinen Kopf klar. Sie wird nie erfahren, was passiert ist, wie sollte sie auch? Nicht, ohne dass Nina oder ich es ihr sagen, und Nina wird den Teufel tun. Ich balle die Hände zu Fäusten und denke an Ninas Lippen auf meinem Mund – Viv braucht nichts davon zu wissen und mir schon gar nicht zu verzeihen.
    Ich starre hinaus in die Dunkelheit, zuversichtlich für einen Moment, bevor ich stöhnend gegen die Fensterbank sacke. Vielleicht sollte sie es aber erfahren. Wir haben nie Geheimnisse voreinander gehabt, warum dann jetzt damit anfangen? Nina hat schließlich mich geküsst, ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen, außer dass ich auf Viv hätte hören sollen, als sie mich vor ihr gewarnt hat. Wenn ich ihr sage, was passiert ist, wird sie es verstehen – sie kann mir ja schlecht wegen etwas böse sein, das ich nicht getan habe.
    Fröstelnd schließe ich das Fenster und krieche wieder ins Bett. Jetzt ist das Zimmer ein Eisschrank. Ich wickele mich in die Decke, ziehe mir das Kissen über den Kopf und versuche, zu einer Entscheidung zu kommen: lügen oder die Wahrheit sagen?
    Hastig ducke ich mich durch das grüne Licht und knalle dabei mit dem Arm gegen seinen unsichtbaren Rand. Der Stoß wird durch die elektrischen Schwingungen noch verstärkt, aber ich habe keine Zeit, mich damit aufzuhalten. Ich hätte mich heute Nachmittag nicht noch mal hinlegen sollen bei meiner Übermüdung. Die gute Nachricht ist, dass ich mit der Überzeugung aufgewacht bin, Viv sagen zu müssen, was Nina letzte Nacht getan hat. Mir ist jetzt schon schlecht bei der Aussicht, alles genau erklären zu müssen, und ich fürchte mich vor ihrer Reaktion, aber ich könnte nicht mit dieser Lüge leben. Oder dem Verschweigen der Wahrheit. Sie soll wissen, dass sie recht gehabt hat – ich hätte nie an ihren Worten zweifeln sollen. Die schlechte Nachricht ist, dass mir nur noch fünf Minuten bleiben, um pünktlich zu Vivs Haus zu gelangen, das einen zehnminütigen Spurt von hier entfernt liegt.
    Ich bemerke das Auto nicht, das die Straße entlangkommt, bis es direkt neben mir hält.
    »Hey, Süßer, soll ich dich mitnehmen?«, ruft Viv.
    Ich zucke zusammen, denn das letzte Mal, als ich Vivs blauen Zweitürer sah, hatte er sich um einen Strommast gewickelt. Bei genauerem Hinsehen stelle ich fest, dass er so viele Kratzer und Beulen hat wie eh und je, die Seitenfenster aber heruntergelassen und nicht zerbrochen sind. Ich finde meine Stimme wieder.
    »Sorry, ich bin ein bisschen spät dran. Ich … musste noch meiner Mom helfen.«
    Ich beiße mir auf die Wange. Was ist denn bloß los mit mir? Da habe ich den ganzen Tag gebraucht, um mich für die Wahrheit zu entscheiden, und das Erste, was ich mache, ist, ihr ins Gesicht zu lügen?
    »Tja«, sie grinst, »wenn das noch mal vorkommt, werde ich dich wohl bestrafen müssen.«
    Ich lache etwas gezwungen, bin aber erleichtert. Eine kleine Notlüge geht wohl in Ordnung im Gegenzug für die große Wahrheit. Sie weiß nicht, dass ich bei Nina war und was dort passiert ist – noch nicht. Der Motor knurrt im Leerlauf vor sich hin.
    Viv hüstelt. »Steigst du jetzt ein, oder muss ich warten, bis du den Daumen herausstreckst?«
    Als ich die Beifahrertür aufmache, kämpfe ich gegen die Erinnerung an das letzte Mal an, als ich bei ihr eingestiegen bin. Das allerletzte Mal. Sie wirft irgendwelchen Kram nach hinten, und ich setze mich, will mich aber nicht

Weitere Kostenlose Bücher