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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Leben?«
    »Halt den Mund und küß mich, Süßer«, sagte Emma. Sie saßen wieder
auf dem Rücksitz des Town Car. Seit kurzem konnte Emma Jacks Penis innerhalb
von Sekunden steif werden lassen – oder auch nicht. Die Reaktionen seines
Kleinen waren unberechenbar. Emma war in der zehnten Klasse, sie war sechzehn
und ging auf die Dreißig oder Vierzig zu, und neuerdings hatte sie eine
Zahnspange, was sie mit erheblicher Wut erfüllte. Jack hatte ein bißchen Angst,
sie zu küssen. »Nicht so !« wies Emma ihn an. »Bin ich
denn ein Vögelchen? Willst du mich mit einem Wurm füttern?«
    »Das ist meine Zunge«, erklärte er.
    »Ich weiß, was das ist, Jack. Mir geht es um die wichtigere Frage,
wie sie sich anfühlt.«
    »Wie ein Wurm?«
    »Als wolltest du mich ersticken.«
    Sie bettete seinen Kopf in ihren Schoß und sah mit ungeduldiger
Zuneigung auf ihn hinab. Mit jedem Jahr wurde Emma größer und stärker. Jack
hingegen hatte das Gefühl, gar nicht zu wachsen. Aber er hatte einen Ständer,
und das merkte Emma jedesmal. »Dein Kleiner ist das kommende Ereignis.«
    »Was?«
    »Du weißt schon – wie im Kino, wenn der Film für nächste Woche
angekündigt wird.«
    [269]  »Aha.«
    »Nicht mehr lange, und du wirst in aller Munde sein, Jack. Das
wollte ich damit sagen.«
    »Das Mädel zieht bloß an deinen Strippen, Mann«, sagte Peewee.
    »Halt die Klappe und fahr, Mann «, sagte
Emma zu Peewee. Und er stand, wie Jack, unter ihrem Bann.
    Nachdem seine Mutter Mrs. Oastler den Push-up- BH zurückgegeben hatte, fragte sich Jack, was sich
zwischen den beiden Frauen abgespielt hatte. Jedenfalls hatte es dazu geführt,
daß er wieder unbeaufsichtigt mit Emma zusammensein durfte. Und Jack und Emma
waren oft unbeaufsichtigt. Sogar in Emmas Haus waren sie stundenlang
unbeaufsichtigt, ob ihre Mutter zu Hause war oder nicht. Keine Lottie, die
unten in der Küche Geräusche machte und irgendwelchen Unsinn von wegen Tee
hinaufrief.
    Das Anwesen der Oastlers in Forest Hill war eine dreistöckige Villa,
die Mrs. Oastler von ihrem Exmann überschrieben worden war. Die Unterhaltsvereinbarung
hatte Emma und ihre Mutter reich gemacht. Frauen, die bei ihrer Scheidung viel
Geld herausschlugen, wurden von den Boulevardzeitungen von Toronto mit
äußerster Verachtung gestraft, doch Mrs. Oastler hätte wahrscheinlich gesagt,
diese Methode, reich zu werden, sei so gut wie jede andere.
    Emmas Mutter war eine kleine, drahtige Frau – worauf auch die
Tatsache hindeutete, daß sie einen Push-up- BH trug. Emmas Schnurrbart dagegen deutete darauf hin, daß ihre Mutter
ungewöhnlich behaart war, jedenfalls für eine Frau, eine kleine Frau. Bei Emmas
Mutter wäre der Schnurrbart deutlicher zu erkennen gewesen, wenn sie ihre
Oberlippe (wie Emma behauptete) nicht regelmäßig einer Wachsbehandlung
unterzogen hätte. Es wäre durchaus gerechtfertigt gewesen, ihre Arme in die
Behandlung einzubeziehen, doch die einzige andere sichtbare Maßnahme [270]  gegen
ihren Haarwuchs bestand darin, daß sie ihr glattes schwarzes Haar so kurz wie
ein Junge trug, was ihr das Aussehen eines Kobolds verlieh. Obwohl sie hübsch
und elfenhaft war, wirkte Mrs. Oastler auf Jack ein wenig wie ein Mann.
    »Ja, aber wie ein attraktiver«, sagte seine Mutter. Sie fand, Emmas
Mutter sehe sehr gut aus und es sei schade, daß Emma nach ihrem Vater gerate.
    Jack lernte Emmas Vater nie kennen. Jedes Jahr kam Emma gebräunt aus
den Winterferien zurück. Dann war sie mit ihrem Vater in der Karibik oder in
Mexiko gewesen; es war praktisch die einzige Zeit, die sie miteinander
verbrachten. Im Sommer war sie einen Monat in einem Ferienhaus an der Georgian
Bay, allerdings den größten Teil der Zeit in der Obhut eines Kindermädchens
oder einer Haushälterin – ihr Vater konnte nur an den Wochenenden kommen. Emma
sprach nie über ihn.
    Daß Mrs. Oastler der Meinung war, Emma sei zu jung, um sich den
Schnurrbart mit Wachs entfernen zu lassen, war ein ständiger Streitpunkt. »Man
sieht ihn ja kaum«, sagte Emmas Mutter. »Außerdem – in deinem Alter… was macht
das schon?« Es gab noch andere Streitpunkte, wie wohl nicht anders zu erwarten,
wenn eine geschiedene Frau eine »schwierige« Tochter großzog – eine
sechzehnjährige Tochter, die größer und stärker als ihre Mutter und dabei noch
nicht einmal ausgewachsen war.
    Mrs. Oastler war auch der Meinung, Emma sei noch zu jung für eine
Tätowierung – in Emmas Augen eine unerträgliche Doppelmoral, denn ihre Mutter
habe sich

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