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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Alice zu hoffen, daß er keine Mädchen kannte, die aufs
Ganze gingen! Wie stellte sie sich das eigentlich vor?
    [419]  »Was ist los, Dick? Wo ist dein Buckel geblieben?« sagte Michele.
Das war noch ein Richard III. -Witz.
    Gewöhnlich sagte Jack: »Da ist die Luft
raus.«
    Er konnte nicht so tun, als sei er durch In
letzter Sekunde abgelenkt, nicht einen Augenblick lang. Auch während Rio Grande knutschten sie. John Wayne führt schon wieder
einen Krieg, diesmal gegen die Apachen. Außerdem liegt er im Krieg mit seiner
vernachlässigten, temperamentvollen Frau: Maureen O’Hara mit ihrem stattlichen
Vorbau. Aber Jack hatte nur Augen für Michele Maher. Herrgott, war sie schön!
Und nett und intelligent und witzig. Er begehrte sie.
    An diesem Abend begehrte Michele Maher ihn ebenfalls, doch er wollte
nicht mit ihr schlafen, obgleich er sich gar nicht an ihr satt sehen konnte. Er
konnte nicht aufhören, sie zu küssen, sie zu berühren, sie in den Armen zu
halten. Er sagte immer wieder ihren Namen. Noch Jahre später erwachte er oft
mit ihrem Namen auf den Lippen: »Michele Maher, Michele Maher, Michele Maher.«
    »Jack Burns«, sagte sie halb spöttisch. »Richard der Bucklige, auch
genannt Richard III . «,
sagte sie. » Lady Macbeth«, neckte sie ihn. Sie küßte
mit Abstand besser als jede andere – und das, obwohl Emma Oastler eine echte
Könnerin war. Wenn es ums Küssen ging, konnte niemand Michele Maher das Wasser
reichen.
    Warum sagte Jack ihr nicht einfach die Wahrheit? Daß er fürchtete,
sich einen Tripper eingefangen zu haben, und zwar von einer ehebrecherischen
Tellerwäscherin, die alt genug war, um seine Mutter zu sein! (Es klang wie ein
Stück, das die Dramath ausgesucht hätte, oder eher noch wie eine Fortsetzung
von Eine Braut auf Bestellung. )
    Warum sagte Jack ihr nicht, daß er sie liebte und daß er sie
unbedingt vor allem Schlechten, das er in sich spürte oder vermutete,
beschützen wollte? Er hätte irgendeine Geschichte erfinden [420]  können –
schauspielern konnte er schließlich. Er hätte Michele sagen können, sein
Sparringspartner sei ihm beim Training auf den Penis getreten – übrigens eine
erstaunlich häufige, aber wenig bekannte Verletzung unter Ringern. Er hätte
behaupten können, sein Penis tue noch zu weh.
    Aber nein, Jack war ein solcher Dummkopf, daß er Michele vorschlug,
anstatt miteinander zu schlafen, sollten sie gemeinsam masturbieren! »Das ist
der sicherste Sex, den es gibt«, sagte Jack, während ein blutiger Indianerkrieg
tobte und die Apachen schrien und starben. John Wayne kämpfte um sein Leben,
während Jack mit Michele Maher Selbstmord beging. »Wir ziehen uns aus, aber ich
berühre nur mich, und du berührst nur dich«, fuhr er fort, sein Grab zu graben.
»Wir sehen einander an, wir küssen uns – wir stellen es uns vor, wie
Schauspieler.«
    Die Tränen in Michele Mahers Augen hätten auf der großen Leinwand
alle Herzen gebrochen. Sie war eine Frau, die sich sogar für detaillierteste
Detailaufnahmen eignete. »Ach, Jack«, sagte sie, »die ganze Zeit hab ich dich
verteidigt. Wenn irgendwer gesagt hat: ›Jack Burns ist ein verdrehter Typ‹, hab
ich immer gesagt: ›Nein, das stimmt nicht.‹«
    »Michele –«, begann er, doch er sah es in ihren Augen. Er hatte
gemerkt, daß sie sich in ihn verliebt hatte, und nun sah er, daß er sie für
immer verloren hatte. In dem John-Wayne-Western legte sich Staub wie ein
Leichentuch über tote Pferde und tote Indianer.
    Jack ging hinaus. Er war immerhin sensibel genug, um zu spüren, daß
Michele allein sein wollte. Der schöne Hund blieb bei ihr. In seinem
Gästezimmer mit eigener Toilette war Jack allein mit dem kniehoch aufgehängten
Picasso und einem eigenen Fernseher. Er sah sich Der Sieger an.
    John Wayne spielt einen irisch-amerikanischen Boxkämpfer, der die
Handschuhe an den Nagel hängt, als er unabsichtlich einen Gegner tötet. Er geht
nach Irland und verliebt sich in [421]  Maureen O’Hara und ihren stattlichen
Vorbau. Aber Maureens Bruder (Victor McLaglen) ist ein Arschloch, und im
vermutlich längsten und unglaubwürdigsten Faustkampf in der Geschichte Irlands
muß Wayne doch noch einmal zeigen, was er kann.
    Jack gab sich dem Selbstmitleid hin und kam zu dem Schluß, daß
Victor McLaglen John Wayne grün und blau geschlagen hätte. Immerhin war er
Profi; er war gegen Jack Johnson angetreten und nur knapp unterlegen. Wayne
hätte keine Runde gegen ihn durchgestanden.
    Es war eine lange,

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