Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
jeden dritten Tag rasierte.
    Jack kopierte Mifunes Empörung, besonders die in der Szene am Anfang
von Yojimbo, in der er als Samurai in eine kleine
Stadt kommt und einen Hund sieht, der in seinem Maul eine Hand davonschleppt.
Jack liebte den grimmigen Blick, mit dem Mifune dem Hund nachblickte.
    Emma trank zuviel, und so fuhr Jack den Wagen zurück zum Farmhaus,
während Emma und Claudia auf dem Rücksitz Händchen hielten und schmusten. »Wenn
du hier hinten sitzen würdest, würden wir auch mit dir schmusen«, sagte Emma.
    Jack kannte Emmas rebellischen Geist, ihr ständiges Bedürfnis, sich
gegen die Regeln aufzulehnen, doch daß Claudia dabei anscheinend bereitwillig
mitmachte, fand er enervierend. Emma war kompliziert – und sie konnte schwierig
sein –, doch es war Claudia, aus der Jack nicht schlau wurde. Sie schien, wie
er, auf den richtigen Augenblick zu warten; sie hielt sich zurück, sie wirkte
distanziert, sie war immer ein bißchen undurchsichtig. Oder hielt sie Jack
einfach einen Spiegel vor und wehrte ihn ab, wie er sie abwehrte?
    Nachdem Emma weggesackt war, trug Jack sie mit Claudias Hilfe auf
ihr Zimmer, wo sie sie auszogen und ins Bett legten. Emma schnarchte bereits,
doch das lenkte weder Jack noch Claudia ab; unwillkürlich fiel ihr Blick auf
Emmas rechte Hüfte und die dort eintätowierte Vulva.
    »Wie ist eigentlich deine Beziehung zu Emma?« fragte Claudia.
    »Das weiß ich nicht genau«, erwiderte Jack.
    »Das glaube ich dir aufs Wort!« sagte Claudia lachend.
    Später, im Bett, fragte sie ihn: »Wann hat das mit dem Penishalten
eigentlich angefangen? Ich meine, mit Emma. Wann es mit mir angefangen hat,
weiß ich ja.«
    [444]  Jack tat, als könne er sich nicht genau erinnern. »Als ich acht
oder neun war«, sagte er. »Da war Emma fünfzehn oder sechzehn. Oder vielleicht
war es auch ein bißchen früher. Als ich sieben war. Da war Emma vierzehn.«
    Claudia hielt seinen Penis und sagte nichts. Als er schon beinahe
schlief, fragte sie ihn: »Weißt du eigentlich, wie verdreht das ist, Jack?«
    Michele Maher hatte ihm seine angebliche Verdrehtheit bewußt
gemacht: Er war zu verdreht. Jack gab sich nicht der
Illusion hin, Claudia könnte ihn für die Liebe ihres Lebens halten, und sie war
ihrerseits zu klug, um zu denken, Jack könnte in ihr die Liebe seines Lebens sehen. Aber es kränkte ihn,
daß sie ihn für verdreht hielt.
    » Zu verdreht?« fragte er sie.
    »Kommt drauf an.«
    Ihm gefiel dieses Spiel nicht. Er wußte, daß er sie jetzt fragen
sollte: »Worauf?« Aber er fragte sie nicht – er kannte die Antwort bereits. Er
streichelte ihre Brüste, er fuhr mit den Lippen über ihren Hals, doch gerade
als sein Penis in ihrer Hand zum Leben erwachte, ließ Claudia ihn los. »Warum
will Emma keine Kinder haben?« fragte sie.
    Jack Burns war Schauspieler, und er erkannte eine bedeutungsschwere
Frage, wenn er eine hörte. »Vielleicht glaubt sie, daß sie keine gute Mutter
abgeben würde«, sagte er vorsichtig und hörte nicht auf, ihre Brüste zu
streicheln. Claudias Frage galt natürlich in Wirklichkeit ihm. Warum wollte er keine Kinder? Weil er, wenn er wie sein Vater wurde,
seine Familie verlassen würde, hatte er Claudia einmal gesagt. Er wollte nicht
ein Vater sein, der einfach verschwand.
    Doch diese Antwort hatte Claudia nicht zufriedengestellt. Jack wußte
sehr wohl, daß sie Kinder wollte. Als Schauspielerin haßte Claudia ihren
Körper; daß sie »einen Körper, wie geschaffen zum Kinderkriegen« hatte, war das
einzige Positive, das sie [445]  je darüber sagte. Und sie sagte es so, daß man
merkte, wie ernst es ihr damit war. Für Jack klang das nicht nach einem
Rollentext. Es war deutlich, daß sie fand, als welche Art von Vater sich Jack
erweisen werde, liege allein bei ihm selbst.
    »Es kommt darauf an, ob du Kinder willst oder nicht, Jack«, sagte
Claudia.
    Jack ließ von ihren Brüsten ab, drehte sich um und kehrte ihr den
Rücken. Claudia schmiegte sich an ihn, legte einen Arm um seine Hüfte und nahm
wieder seinen Penis.
    »Wir werden erst in zwei Jahren mit dem College fertig sein«, sagte
Jack.
    »Ich meine ja nicht, daß ich jetzt Kinder haben will.«
    Er hatte Claudia einmal gesagt, er wolle niemals Kinder haben. »Bis
zu dem Tag, an dem ich herausfinde, daß mein Vater einem oder sogar mehreren
Kindern, die er nicht verlassen hat, ein liebevoller
Vater war.« So hatte Jack es ausgedrückt.
    War es da verwunderlich, daß Claudia sich zurückhielt?
    Und doch waren

Weitere Kostenlose Bücher