Bis ich dich finde
Hollywood eine Regel, die zu unbestimmt formuliert war und zu
vehement dementiert wurde, um als ungeschriebenes Gesetz gelten zu können: Man
durfte ein Arschloch nicht Arschloch nennen, jedenfalls nicht in schriftlicher
Form. Der nicht sehr intelligente Studioboss war der [534] Meinung, Emma habe
diese Regel verletzt. Um sie zu bestrafen, kopierte er Emmas Beurteilungen und
schickte die Kopien an die Agenten der abgelehnten Drehbuchautoren. Doch der
Schuß ging nach hinten los: Wenn man erst einmal Kopien gemacht hat, kann jeder
sie lesen. Die Bosse anderer Studios vertieften sich in Emmas Beurteilungen;
immerhin machte ein guter Teil der von ihr gelesenen Drehbücher noch immer die
Runde.
Einige der Drehbücher wurden gerade umgesetzt, und ein paar davon
befanden sich in der Nachbearbeitungsphase, was bedeutete, daß sie
wunderbarerweise tatsächlich verfilmt worden waren. Einer dieser Filme war
kürzlich in den Kinos angelaufen und hatte schlechte Kritiken bekommen.
Natürlich waren diese Kritiken weder so scharfsinnig noch so gut geschrieben
wie Emmas Beurteilungen der früheren Drehbuchfassung. Sogar den Agenten der
abgelehnten Drehbuchautoren gefielen Emmas Beurteilungen: Zwei von ihnen boten
ihr einen Job an.
Der Gastgeber der Talkshow eines Radiosenders in L.A. fragte Emma, ob er in seiner Sendung Auszüge
daraus vorlesen dürfe. »Klar«, sagte Emma. »Alle anderen haben sie ja auch
schon gelesen.« (Noch mehr Publicity für Die Schundleserin – nicht daß Emma die gebraucht hätte.)
Damit machte sie sich unter Drehbuchautoren nicht viele Freunde,
doch was die Branche ihr wirklich übelnahm, war die Tatsache, daß sie kein
Interesse daran zeigte, selbst ein Drehbuch zu schreiben – schon gar nicht eine
Adaption von Die Schundleserin. Der Roman war so
angelegt, daß ein Drittel der Handlung aus Schilderungen von Pornofilmen
bestand. Niemand würde den Versuch unternehmen, daraus einen ernstzunehmenden
Film zu machen. Um ganz sicherzugehen, knüpfte Emma an die Vergabe der
Filmrechte Bedingungen, die keinem Autor zugestanden werden, jedenfalls keinem,
um dessen erstes Buch es sich handelt. Sie stellte abermals fest, daß sie nicht
die Absicht habe, selbst eine Drehbuchversion von Die
Schundleserin zu schreiben, [535] bestand jedoch darauf, daß eine solche
Adaption – sollte jemand anders dumm genug sein, sich daran zu versuchen –
ihrer Zustimmung bedürfe. Des weiteren behielt sie sich das letzte Wort bei der
Auswahl des Regisseurs und der Schauspieler sowie beim Endschnitt vor.
Angesichts dieser unerhörten Bedingungen war eine Verfilmung von Die Schundleserin praktisch unmöglich.
Wenn Emma sich – immer häufiger in Begleitung von Jack – an den
üblichen Treffpunkten der Filmbranche sehen ließ, nahm man allgemein an, sie
recherchiere für einen weiteren Hollywood-Roman, doch davon wußte Jack (zum
damaligen Zeitpunkt jedenfalls) nichts. Er dachte, sie wolle lediglich etwas
essen oder trinken. Emma jedoch betrachtete sich als eine Art Gespenst: Es
sollte die Studiobosse daran erinnern, daß es Drehbuchautoren gab, die
tatsächlich schreiben konnten.
Im Filmgeschäft bezeichnete man Die Schundleserin bereits mit bewunderndem Unterton als ein »nicht machbares« Buch. Das konnte
man durchaus als Kompliment verstehen – solange das Schreiben solcher Bücher
nicht zur Gewohnheit wurde.
Jack machte sich Sorgen um Emma. Sie hatte ohne triftigen Grund
das Haus in Santa Monica gekauft, das sie anfangs nur gemietet hatten. Der
Umzug von Venice hatte sie entnervt; sie sagte, sie wolle nie mehr umziehen.
Aber wenn man das Haus in Santa Monica so billig mieten konnte, war es doch
einfach idiotisch, es zu kaufen.
Es war ein zweistöckiges Haus mit vier Zimmern, das am unteren Ende
des Entrada Drive stand, in der Nähe der Einmündung in den Pacific Coast
Highway. Das Summen des Verkehrs auf dem PCH übertönte die Klimaanlage. Und als hätten Jack und Emma eine natürliche
Affinität zu dem Duft, der von den Müllcontainern von Restaurants ausging,
kreuzte die Zufahrt zum Haus die Gasse hinter einem italienischen Restaurant.
Jetzt rochen sie nicht mehr Sushi, sondern Auberginengratin.
[536] Doch sie lebten am Entrada Drive, als Emmas erster Roman
erschien, und sie bezeichnete sich (mit nicht wenig Stolz) als »freie
Schriftstellerin«. Damit hatte sie sich dafür gerächt, daß sie ihre Zeit mit
einem Filmstudium verschwendet hatte. In der Hauptstadt der Filmindustrie hatte
sie es zu etwas
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