Bis ich dich finde
wollte, daß sein Vater ihn auf den Arm nahm; er trug
Rutschsocken mit Rentieren darauf und über seinem Schlafanzug einen Skianorak.
Jack trat ins Zimmer zurück, und der Vater trug den Sohn hinein. Kissen und
Decken bildeten einen wirren Haufen; der junge Ehemann fixierte das Bett, als
könnte er auf den zerknitterten Laken den Körperabdruck seiner schwangeren Frau
ausmachen.
Marja-Liisa hatte ihrem Mann gesagt, sie habe im Fitness-Studio noch
eine späte Aerobic-Gruppe, aber er hatte in ihrem Schrank ihre Sporttasche
gefunden, nachdem er seinen Sohn zu Bett gebracht hatte; er hatte die Wohnung
aufgeräumt und war an ihren Schrank gegangen, um irgendein Kleidungsstück
aufzuhängen, und da hatte die Sporttasche gestanden.
Der junge Mann zeigte Jack den Zettel, den er in der Tasche gefunden
hatte – Jimmy Stronach, Hotel Torni –, aber er hatte die ganze Zeit vermutet,
daß Jimmy Stronach Jack Burns war.
»Sie hat mir in einem fort erzählt: ›Im Fitness-Studio ist ein
Filmstar, und ich sehe aus wie ein Wal.‹ Sie sind noch nicht mal ihr
Lieblingsfilmstar, aber das spielt wohl keine Rolle«, sagte ihr Mann.
Der Vierjährige wollte herunter. Daß er aufs Bett stieg und sich
unter den Kissenberg wühlte, war seinem Vater sichtlich unangenehm.
»Sie wollte kein zweites Kind«, sagte Marja-Liisas Mann zu Jack.
»Die Schwangerschaft war ungewollt, und sie gibt mir die Schuld, weil ich noch
mehr Kinder haben wollte.«
Der Vierjährige wirkte müde, hatte jedoch eine Möglichkeit entdeckt,
sich mit dem Federbett und den Kissen zu beschäftigen: [805] Er krabbelte auf
allen vieren im Kreis herum wie ein Tier, das sich in etwas hineinzuwühlen
versucht. Jack nahm an, daß das Kind kein Englisch sprach und sie deshalb nicht
verstehen konnte – nicht daß der Junge ihm und seinem Vater mehr Aufmerksamkeit
geschenkt hätte, wenn sie finnisch gesprochen hätten.
Er ist erst vier, dachte Jack unentwegt.
Er hoffte, daß der Junge dieses Abenteuer – mitten in der Nacht geweckt und im
Schlafanzug in ein Hotel mitgenommen zu werden – nicht im Gedächtnis behalten
würde. Vielleicht würde er auch nur das im Gedächtnis behalten, was man ihm
über diese Nacht erzählte, und wieso sollten seine Eltern je mit ihm darüber
reden? (Vielleicht nur, wenn die Nacht zu einem Wendepunkt in der
Familiengeschichte werden würde, was Jack nicht hoffte.)
»Wahrscheinlich ist sie nach Hause gefahren, oder sie war schon auf
dem Weg nach Hause, und Sie beide haben sich einfach verpaßt«, sagte Jack zu
Marja-Liisas Mann, der immer gequälter aussah. Der Vierjährige war unter all
den Kissen und Decken dem Blick entzogen. Mit gedämpfter Stimme fragte er
seinen Vater etwas.
»Er möchte auf die Toilette«, sagte dieser zu Jack.
»Klar«, erwiderte Jack.
Es folgte ein kurzer Dialog auf finnisch, der wegen der Sprache und
des Walls aus Bettzeug unverständlich war. Jack merkte, daß Marja-Liisas Mann
das Bett nicht berühren wollte, deshalb half Jack dem Kleinen, sich unter der
Bettdecke und den Kissen hervorzuwühlen.
Der Vierjährige ließ die Badezimmertür offen, während er pinkelte,
und redete und sang dabei vor sich hin. So mußte Jack seiner Mutter durch jene
Nordseestädte gefolgt sein: bei offener Badezimmertür pinkelnd, vor sich hin
redend und singend und so gut wie nichts in Erinnerung behaltend – oder nur
das, was seine Mutter ihm einredete, das, was er nach ihrem Willen in
Erinnerung behalten sollte.
[806] »Es tut mir leid«, sagte Jack zu dem unglücklichen Ehemann und
Vater. Er hatte nicht die Absicht, die Sache noch schlimmer zu machen und dem
armen Kerl auf die Nase zu binden, daß seine Frau gesagt hatte, er sei tot und
sie sei mit Hilfe eines anonymen Samenspenders schwanger geworden.
»Wer ist Jimmy Stronach?« fragte der junge Mann Jack.
Jack erklärte, so heiße eine Figur in dem Film, den er als nächstes
zu drehen hoffe. Daß es sich um einen Pornodarsteller handelte und daß er bei
diesem Film nicht nur Darsteller, sondern auch Drehbuchautor war, verschwieg
er.
Der Kleine kam aus dem Badezimmer. Jack hatte die Toilettenspülung
nicht gehört, und der Junge war wegen irgend etwas durcheinander. Wie es
schien, hatte er in die linke Innentasche seines Anoraks gepinkelt. Sein Vater
sagte auf finnisch irgend etwas Beruhigendes. (»Mach dir nichts daraus, das
passiert uns allen mal, daß wir in unsere Anoraktasche pinkeln!« stellte sich
Jack vor.)
Möglicherweise war Jack Burns ein aufgeweckterer
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