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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Essen«, sagte sein Vater und lächelte Dr. von Rohr
an, die seufzte.
    »Apropos essen, Sie sollten jetzt aufbrechen!« rief Dr. Horvath.
Doch als sie sich Richtung Flur in Bewegung setzten – sein Vater verbeugte sich
vor Dr. von Rohr, die ihm vorausging –, packte Dr. Horvath Jack an beiden
Schultern und hielt ihn zurück.
    [1099]  »Welcher von den Auslösern war es?« flüsterte er Jack ins Ohr.
Sogar Dr. Horvaths Flüstern war laut. »Das Wort«, flüsterte er. »Welches war
es?«
    »Haut«, flüsterte Jack zurück. »Es war das
Wort Haut. «
    »Gott!« dröhnte Dr. Horvath. »Das ist eines der schlimmsten – da
gibt es überhaupt kein Halten mehr!«
    »Ich bin froh, daß es wenigstens bei manchen Auslösern ein Halten
gibt«, sagte Jack zu ihm. » Nackt, zum Beispiel. Da
scheint Dr. von Rohr ihn ja zum Halten gebracht zu haben.«
    »Ja, nackt ist nicht so schlimm«, sagte
Dr. Horvath wegwerfend. »Aber das Wort Haut bringen
Sie in der Kronenhalle besser nicht aufs Tapet. Und die Spiegel !«
erinnerte er sich mit entsetztem Luftschnappen. »Halten Sie William ja von den
Spiegeln fern.«
    »Gehören Spiegel zu den Auslösern, bei denen es kein Halten gibt?«
fragte Jack.
    »Ein Spiegel ist mehr als ein Auslöser«, sagte Dr. Horvath ernst.
»Ein Spiegel ist die volle Ladung!«
    »Die was?« fragte Jack, der den Ausdruck nicht kannte.
    »Die volle Ladung!« rief Dr. Horvath. »Das reine Dynamit!«
    Der Abend in der Kronenhalle begann damit, daß William Dr. von
Rohr ein Kompliment über die silberne Strähne in ihrem dunkelblonden Haar
machte: Sie müsse eines Morgens auf dem Weg zur Arbeit vom Blitz getroffen
worden sein, und das habe ihn schon immer beeindruckt. Als sie dann mit ihrem
ersten Patienten zusammengetroffen sei, stelle er sich vor, habe sie den Teil
ihres Kopfes, wo der Blitz sie getroffen habe, deutlich gespürt – hauptsächlich
deshalb, weil der Blitz die Haarwurzeln so stark beschädigt habe, daß die Haare
bereits abgestorben und grau geworden seien.
    »Ist das wirklich ein Kompliment, William?« fragte Dr. von Rohr.
    [1100]  Sie waren noch nicht zu ihrem Tisch geführt worden, der sich in
einem Raum mit einer Wand aus Mattglas befand. Sie hatten die Kronenhalle von
der Rämistraße aus betreten. Dr. von Rohr, die viel größer war als Jacks Vater,
verstellte ihm mit Bedacht jeden Blick auf den Spiegel an der Bar. Sie kamen
sowohl an der Herren- als auch an der Damentoilette vorbei. Diese beherbergten
weitere Spiegel, die allerdings vom Flur aus nicht zu sehen waren. (Der Spiegel
über dem Büffet befand sich in einem anderen Teil des Restaurants.)
    William reckte den Hals, konnte aber nicht an Dr. von Rohr
vorbeisehen – er reichte ihr bis zum Busen –, und seinen anderen Arm hielt Dr.
Krauer-Poppe. Jack folgte ihnen. Sein Vater wandte unentwegt den Kopf und
lächelte ihn an. Jack merkte, daß es William großen Spaß machte, von zwei sehr
gutaussehenden Frauen in ein vornehmes Restaurant wie die Kronenhalle begleitet
zu werden.
    »Wenn Sie nicht so groß wären, Ruth«, sagte William zu Dr. von Rohr,
»könnte ich Ihnen auf den Kopf schauen und feststellen, ob Ihre Silbersträhne
bis hinunter an die Haarwurzeln gefärbt ist.«
    »Ihre Komplimente nehmen einfach kein Ende, William«, sagte sie, auf
ihn herablächelnd.
    Jacks Vater klopfte gegen die kleine Tasche, die Dr. Krauer-Poppe am
Arm trug. »Haben Sie auch genügend Beruhigungsmittel dabei, Anna-Elisabeth?«
fragte er.
    »Benehmen Sie sich, William«, sagte Dr. Krauer-Poppe.
    William drehte sich zu Jack um und zwinkerte ihm zu. Dr. Horvath
hatte William ein langärmliges schwarzes Seidenhemd angezogen. Weil William
lange Arme hatte, sein Körper aber klein war, sah jedes Hemd an ihm zu groß
aus. Sein silbernes, schulterlanges Haar war von dem gleichen schimmernden Grau
wie Dr. von Rohrs elektrische Strähne und betonte ebenso wie die
Kupferarmbänder und seine Handschuhe eher das Feminine [1101]  seines guten
Aussehens. Seine »Abendhandschuhe«, wie William sie nannte, waren aus dünnem
schwarzen Kalbsleder. Die Art, wie er im Gehen auf den Fußballen wippte,
erinnerte Jack an Mr. Ramsey. William Burns war, wie Heather es formuliert
hatte, ein jugendlich wirkender Vierundsechzigjähriger.
    »Ruth ist leider kein Fan von Billy Rainbow, Jack«, sagte William,
während man ihnen ihren Tisch anwies.
    »Das hat sie mir leider schon gesagt«, antwortete Jack und lächelte
Dr. von Rohr an, die das Lächeln

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