Bis ich dich finde
erwiderte.
»Trotzdem«, sagte sein Vater und räusperte sich, »ich muß sagen, die
beiden tollsten Bräute in dem Laden hier sitzen an unserem Tisch.« (Er konnte
Billy Rainbow tatsächlich aus dem Effeff.)
»Sie sind ein alter Schmeichler, William«, sagte Dr. von Rohr zu ihm.
»Hast du dir mal Ruths Handtasche angesehen?« fragte Jacks Vater ihn
und deutete auf Dr. von Rohrs ziemlich voluminöse Handtasche, die so groß war,
daß sie nicht unter ihren Stuhl paßte. »Eher eine Reisetasche, wenn du mich
fragst – eine Beischlaftasche«, sagte William und zwinkerte Jack zu. Sein Vater
gab empörenderweise zu verstehen, Dr. von Rohr habe sich auf die Möglichkeit
vorbereitet, die Nacht mit Jack im Hotel Storchen zu verbringen!
»Man trifft nicht alle Tage einen Mann, der einer Frau Komplimente
über ihre Accessoires macht«, sagte Dr. von Rohr lächelnd zu Jack.
Dr. Krauer-Poppe wirkte weder so sicher, noch lächelte sie. Trotz
ihrer Supermodelgarderobe schlug unübersehbar die Schulmedizinerin bei ihr
durch.
Jack wußte außerdem, daß Dr. Krauer-Poppe verheiratet war und kleine
Kinder hatte. Das war auch der Grund, warum sein Vater seine peinlichen
Verkupplungsversuche auf ihn und Dr. von Rohr konzentrierte. (Diese war
geschieden und kinderlos, hatte Heather gesagt.)
[1102] »Jack geht zu einer Therapeutin, und zwar schon länger, als ich
Sie beide kenne«, verkündete William. »Wie läuft das denn so, Jack?«
»Ich weiß nicht, ob es einen Fachbegriff für die Art von Therapie
gibt, die ich mache«, sagte Jack. »Einen psychiatrischen Begriff, meine ich.«
»Sie muß nicht unbedingt einen haben«, sagte Dr. Krauer-Poppe.
»Beschreiben Sie sie einfach.«
»Na ja, Dr. García – das ist eine wirklich wunderbare Frau Anfang
Sechzig, mit ganz vielen Kindern und Enkelkindern. Sie hat vor einigen Jahren
ihren Mann verloren –«
»Hat sie nicht hauptsächlich weibliche Patienten, Jack?« unterbrach
ihn sein Vater. »Diesen Eindruck habe ich jedenfalls aus den Artikeln gewonnen,
die ich über die Geschichte mit Lucy gelesen habe – Sie erinnern sich doch an
den Vorfall: die Kleine auf dem Rücksitz von Jacks Auto?« fragte William seine
Ärztinnen. »Sowohl sie als auch ihre Mutter sind zur selben Therapeutin
gegangen wie Jack! Wie es sich anhörte, hätte man meinen können, es gibt in
Südkalifornien einen Mangel an Therapeuten!«
»William, lassen Sie Jack seine Therapie beschreiben«, sagte Dr. von
Rohr.
»Ach so, ja«, erwiderte William: daß sein Vater dies ganz genauso
sagte wie er selbst, ließ Jack frösteln.
»Na ja, Dr. García läßt mich alles in chronologischer Reihenfolge
erzählen«, erklärte Jack. Beide Ärztinnen nickten, doch William machte
plötzlich ein besorgtes Gesicht.
»Was denn alles?« fragte er.
»Alles, was mich je zum Lachen, zum Weinen oder in Wut gebracht hat
– so was eben«, antwortete Jack.
Dr. Krauer-Poppe und Dr. von Rohr nickten nicht mehr. Beide
beobachteten sie William genau. Die Vorstellung, was seinen Sohn zum Lachen,
zum Weinen oder in Wut gebracht haben könnte, schien ihn stark zu berühren.
[1103] Jacks Vater hatte die rechte Hand auf sein Herz gelegt, doch dort
war sie nicht zur Ruhe gekommen. Er schien die Finger über die obere linke
Seite seines Brustkorbs zu schieben, als tastete er nach etwas, das er unter
dem Hemd oder unter der Haut hatte. Er wußte auch ohne hinzusehen genau, wo es
zu finden war. Was ihn zum Lachen oder zum Weinen gebracht hatte, war die
Tochter des Kommandanten, Karin Ringhof. Und was ihn zum Weinen und in Wut
gebracht hatte, war das, was ihrem kleinen Bruder zugestoßen war.
»Es hört sich so an, als könnte diese Therapie zu einem ziemlich
langwierigen Unternehmen geraten«, sagte Dr. Krauer-Poppe zu Jack, aber sie
hatte den Blick nicht von Williams behandschuhter Hand genommen – schwarz auf
schwarz lag sie auf seinem Hemd und berührte die Tätowierung, die Dr.
Krauer-Poppe genausogut kannte wie Jack.
Die Tochter des Kommandanten;
ihr kleiner Bruder
Dem gequälten Gesichtsausdruck seines Vaters konnte Jack
entnehmen, daß der Zeigefinger seines Vaters genau auf dem Semikolon lag, dem
ersten (und wahrscheinlich auch letzten) Semikolon, das Doc Forest jemals
gestochen hatte.
»Ihre Therapie scheint ja geradezu Buchlänge zu haben«, sagte Dr.
von Rohr zu Jack, aber auch ihr Blick hatte sich, wie der ihrer Kollegin, nicht
von seinem Vater gelöst.
»Du bringst alles, was dich je zum Lachen, zum
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