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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Daschkowa
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Gerda?«
    »Sie haben also Ihr Leben riskiert für die, die Sie hassten?«
    »Nicht doch, Gerda, so dumm bin ich nicht. Ich habe es für Russland riskiert. Ich wusste, Stalin würde sterben, die Kommunisten würden gehen, aber Russland würde bleiben. Und so ist es ja auch gekommen.«
    »Warum kehren Sie jetzt nicht dorthin zurück, wenn Sie es so lieben, Ihr Russland?«
    »Weil dort niemand auf mich wartet. Hier habe ich micheingelebt. Ich bin zu alt, um meine Gewohnheiten zu ändern.«
    »Wie haben Sie es geschafft, zu überleben?«
    »Meine Mutter hat für mich gebetet.«
    »Wenn Sie um Ihr Leben gebetet hat, warum dann nicht auch um eine Familie für Sie? Sie waren so ein schöner junger Mann, Sie hätten zehnmal heiraten und einen Haufen Kinder, Enkel und Urenkel haben können«, knurrte Gerda.
    Micki tat, als hätte er ihr Knurren nicht gehört, und rezitierte wieder seinen geliebten Puschkin. Wie immer, wenn er traurig oder nervös war.
    Gerda hätte ihn gern gefragt, wo das Fräulein und das Baby geblieben waren, traute sich aber nicht.
    Eines Tages bat Micki sie, ein festliches Abendessen vorzubereiten, und ging zum Bahnhof.
    An diesem Tag sah sie Micki zum ersten Mal seit Jahren nicht in abgewetzten Jeans und einem Pullover mit Flicken auf den Ärmeln, nicht in Trainingshosen und Turnschuhen. Er trug einen eleganten englischen Anzug, ein schneeweißes Hemd, eine Krawatte und teure schwarze Nappalederschuhe, hatte sich länger als üblich rasiert und sein Lieblingsgedicht an die zehn Mal wiederholt, es sogar auf eine lustige Melodie gesungen.
    Gerda gab sich Mühe. Kochen war ihre Poesie, ihr Stolz und ihre Lieblingsbeschäftigung. Sie grillte frische Forellen, bereitete eine komplizierte Zitronensoße, buk ihre berühmte Vanilletorte mit Pflaumen, zog ihr bestes Kleid an, stellte frische Rosen auf den Tisch und zündete Kerzen an.
    Micki kam mit einem älteren Russen vom Bahnhof. Beide waren angespannt und schienen nicht recht froh über die Begegnung. Der Russe drückte Gerda die Hand und stellte sich vor: Dmitri.
    Er sah aus wie sechzig. Er war genauso grauhaarig, kräftigund sehnig wie Micki. Er hatte sogar ebensolche großen, komisch abstehenden Ohren wie Micki. Am Tisch sprachen sie russisch. Beide waren nervös und würdigten Gerdas kulinarische Meisterwerke kaum. Sie war gekränkt und wollte in die Küche gehen, blieb aber im Esszimmer. Vom Gespräch der beiden verstand sie kein Wort, nur, dass sie mehrfach zwei Frauennamen wiederholten: Vera und Sofie.
    Dann gingen sie hinauf in Mickis Zimmer, redeten dort noch eine weitere Stunde und kamen wieder herunter.
    »Übernachtet Dmitri denn nicht hier?«, erkundigte sich Gerda kühl. »Ich habe auf Ihren Wunsch das Gästezimmer für ihn hergerichtet.«
    »Ich habe versucht, ihn zu überreden, aber er hat ein Zimmer im ›Crowne Plaza‹ reserviert«, antwortete Micki.
    »Sagen Sie ihm: Das ist ein schlechtes Hotel. Von wegen vier Sterne! Die Küche ist miserabel, die Zimmer werden nicht saubergemacht, es ist kalt und feucht, die Bettwäsche ist immer klamm, und es ist sauteuer.«
    Dmitri zog seine Jacke an, griff nach seinem kleinen Koffer, lächelte Gerda freundlich an, sagte »Dankeschön« und noch etwas auf Russisch.
    »Er sagt, das Essen war wunderbar, es hat alles sehr gut geschmeckt. Und vielen Dank an dich«, übersetzte Micki.
    »Das habe ich selber verstanden.« Gerda schürzte hochmütig die Lippen. »Warum haben Sie ihm nicht übersetzt, was ich über das ›Crowne Plaza‹ gesagt habe?«
    »Das ist sinnlos, Gerda. Er würde sowieso nicht hierbleiben.«
    Dmitri blieb zehn Tage im scheußlichen ›Crowne Plaza‹. Er traf sich mit Micki, sie saßen zusammen am Meer, gingen abends am Strand spazieren, und manchmal kam er mit ins Haus, dann stiegen sie hinauf in Mickis Zimmer.
    Dmitri war beileibe nicht der erste Russe, der Micki hier aufder Insel besuchte. Der Alte bekam oft Besuch aus Russland. Aber noch nie hatte er jemanden vom Bahnhof abgeholt, für niemanden hatte er einen englischen Anzug angezogen, für niemanden hatte er um ein festliches Abendessen und um das Gästezimmer gebeten. Über keinen der Besucher hatte er sich gefreut, eher im Gegenteil. Jeder Besuch machte ihn düster und nervös, und er knurrte auf Deutsch: »Verdammt, was wollen die hier, ich hab sie satt, sie sollen sich zum Teufel scheren.«
    Er schrieb für Gerda russische Namen in lateinischen Buchstaben auf einen Zettel und bat, ihn nicht ans Telefon zu holen, wenn

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