Bis in alle Ewigkeit
Revolutionären Militärkomitee ein Ultimatum: Der Kreml müsse geräumt werden, das Komitee aufgelöst.
Die Fahnenjunker blockierten den Skobelew-Platz. Auf dem Manegeplatz, in der Twerskaja-Jamskaja, auf dem Arbat, am Telegrafenamt, an der Hauptpost und vor den Bahnhöfen wurde gekämpft. Ein Trupp aus dreihundert Soldaten des Dwina-Regiments beschoss die Kremlmauer.
Das Dwina-Regiment bestand aus Deserteuren, Plünderern und Marodeuren. Kurz vor dem Aufstand war es aus dem Butyrka-Gefängnis ins Lazarett verlegt worden. Die Soldaten hatten angeblich einen Hungerstreik begonnen, und der Sowjet der Arbeiter- und Soldatendeputierten sorgte sich um ihre Gesundheit. Nun wurden sie zum Stoßtrupp der Revolution, zur wichtigsten Stütze der Bolschewiki in Moskau und belagerten den Kreml.
Vor dem Troizkije-Tor wurden sie von einer Abteilung empfangen, die Oberst Danilow unterstand.
Tanja lief im Wohnzimmer auf und ab, wobei sie sich denBauch hielt und abwechselnd betete und Puschkin-Verse rezitierte.
»Vielleicht gehen wir lieber in Ihr Zimmer? Sie müssen sich hinlegen, ich muss Sie untersuchen«, sagte Agapkin.
»Warten Sie. Fassen Sie mich nicht an. Wenn ich mich hinlege, schreie ich bloß, so kann ich es besser aushalten. Wir bleiben hier, näher an der Küche, wir brauchen doch heißes Wasser. Und Papa wird verrückt, wenn er allein bleibt. Eine Liege steht hier auch. Die ist bequem genug.«
Sämtliche Kerzen und Petroleumlampen aus der ganzen Wohnung wurden ins Wohnzimmer geholt. Agapkin zog die Vorhänge fest zu, damit man von draußen kein Licht sah.
»Fjodor, Sie haben in Geburtshilfe nur ein Befriedigend bekommen«, sagte Sweschnikow, »das weiß ich genau. Professor Grinberg hat sich bei mir über Sie beschwert. Und Sie haben noch nie allein Geburtshilfe geleistet.«
»Dann kann er das ja jetzt lernen«, sagte Tanja.«Wärst du nicht rausgegangen, um zu kämpfen, hättest du das wunderbar selbst machen können. Nun musst du daliegen und zuschauen. O Gott, das tut ja wirklich weh. ›Muss ich um die Erde jagen, mal zu Fuß und mal zu Pferd, mal im Schlitten, mal im Wagen, ewig, ewig aufgestört?‹ Andrej, was machst du hier?«
»Ich habe Angst, Tanja. Tut es sehr weh? Papa, darf ich hierbleiben?« Andrej saß in einem Sessel, die Beine angezogen und die Arme um die Knie geschlungen.
»Geh in die Küche, hilf Awdotja. Wir brauchen bald viel heißes Wasser«, sagte Sweschnikow.
»Nicht in den ererbten Wänden, fern der Väter Gruft und Schloss, in der Fremde werd ich enden, das ist sicherlich mein Los «, rezitierte Tanja leise mit zusammengebissenen Zähnen.
»Vielleicht legst du dich jetzt endlich hin?«, fragte ihr Vater.
»Ja, Papa. Gleich. Ich glaube, das Fruchtwasser geht ab.Ojeoje! ›Auf der Straße werd ich haben, unter Hufen, unterm Rad plattgewalzt, seitab im Graben meine letzte Ruhestatt.‹ Mein Gott, tut das weh! Andrej, geh raus! Fjodor, horchen Sie mal, was machen die Herztöne?«
Bis zu diesem Augenblick hatte sie ihn nicht an sich herangelassen. Nun kapitulierte sie. Sie hatte keine Wahl. Er hätte gern gesagt: Haben Sie keine Angst, vertrauen Sie mir, ich habe schon Erfahrung, ich bin mit einer doppelten Nabelschnurumschlingung fertiggeworden, ich bin stark, ich bin der Beste, ich liebe Sie.
»Und?«, hörte er den Professor fragen.
»Der Rhythmus ist gut. Da, eine starke Presswehe.«
»Das weiß ich allein!«, knurrte Tanja. »Gehen Sie sich die Hände waschen. ›Lässt ein dummer Zöllner fallen mir den Schlagbaum auf den Kopf? Oder packt mit seinen Krallen mich der Typhus-Tod beim Schopf?‹«
Das Revolutionäre Militärkomitee hatte das Ultimatum abgelehnt, doch die meisten seiner Mitglieder waren aus dem Stab geflohen, als die Kampftruppen der Fahnenjunker von den Nachbardächern aus ihre Fenster beschossen. Auf den Dächern saßen junge weibliche Leutnants, sie waren ausgezeichnete Scharfschützen.
Das Haus des Gouverneurs stand unter Artilleriebeschuss. Die Fahnenjunker griffen an, besetzten die Hauptpost, das Telegrafenamt und den Kasaner Bahnhof.
Dem Befehl von Oberst Danilow unterstanden außer Fahnenjunkern auch Studenten, Lehrer und Oberschüler aus Gymnasien und Realschulen, Juristen, Zeitungsredakteure, Schauspieler, Literaten und junge Beamte verschiedener Departements. Sie waren nur ungenügend ausgerüstet. Viele von ihnen hielten zum ersten Mal eine Waffe in der Hand. Trotzdem gelang es ihnen, den Stoßtrupp der Revolution abzuwehren.
Die
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