Bis in alle Ewigkeit
zurück in ihrem Zimmer, schaltete Sofja den Computer ein und fand eine neue E-Mail von Nolik.
»Sofie, warum meldest du dich nicht? Wie geht es dir dort? Heute Nacht habe ich noch was gefunden.
Michail Pawlowitsch Danilow war einer der Leute, die den Engländern Informationen über das Geheimabkommen über die Aufteilung Europas zwischen unseren und den Deutschen übermittelt haben. 1939 war er gerade 22 Jahre alt. Er hat bei der SS gedient, als Leutnant. Im Moment habe ich nur ein einziges Foto von ihm, aus einem Buch abfotografiert. Die Qualität ist miserabel, außerdem ist es vor zehn Jahren gemacht worden, darauf ist er also schon alt. Aber weißt du, was mir aufgefallen ist? Das hagere Gesicht und die großen, ein wenig abstehenden Ohren. Wie bei deinem Vater.
Sofie, werde bitte nicht nervös und sei mir nicht böse. Ich ziehe vorerst keine Schlüsse, ich schildere dir nur die Fakten. Von dem Geheimabkommen konnte nur jemand wissen, der zur Ribbentrop-Delegation gehörte, der also zu der Zeit, 1939, in Moskau war.
Ich rate dir sehr, nach Sylt zu fahren und Danilow zu suchen. Nein, ich rate es dir nicht nur, ich bestehe darauf. Die Insel ist nicht weit weg von Hamburg, und sie ist ziemlich klein. Du findest ihn dort bestimmt. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass ihr beide genug Gesprächsstoff haben werdet.
Ich umarme dich und küsse dich genauso heiß und unanständig wie auf dem Flughafen. Und du, liebe Knolle, kannst nichts dagegen tun!
Dein Nolik.«
Achtzehntes Kapitel
Moskau 2006
Mürrisch, nervös, mit verquollenem Gesicht und Kopfschmerzen nach dem Cognac in der Nacht setzte sich Pjotr Colt auf den Rücksitz seines riesigen gepanzerten Jeeps.
Der Chauffeur begrüßte ihn leise, bekam aber keine Antwort, fuhr aus der Tiefgarage, bog auf die Straße ein und beschleunigte. Nach zwanzig Minuten steckten sie im Stau. Colt, der eingeschlafen zu sein schien, fragte plötzlich heiser: »Wo fährst du hin?«
»Ins Büro, Pjotr Borissowitsch.«
»Hab ich das gesagt?«
»Etwa nicht?«, fragte der Chauffeur erstaunt. »Wohin denn sonst? Sie sagten gestern Abend, sie hätten um elf eine Sitzung, und jetzt ist es viertel elf.«
Colt fluchte, knurrte etwas, rief einen seiner Stellvertreter an und beauftragte ihn, die Sitzung ohne ihn abzuhalten.
»Fahr ins Zentrum«, befahl er dem Fahrer, als sich der Stau aufgelöst hatte, »in die Brestskaja.«
Er traf den alten Agapkin am Schreibtisch an, vor dem eingeschalteten Notebook.
»Er kommt nicht ins Internet. Ich habe alles abgeschaltet«, flüsterte Buton leise.
Neben dem Computer lagen einige alte, zerfledderte dicke Hefte.
»Mach einen Kamillentee für ihn und für mich einen Kaffee«, befahl Colt, rückte einen Stuhl an den Schreibtisch und setzte sich neben Agapkin.
»Ich habe schon gefrühstückt«, knurrte der Alte wütend, »ich will keinen Tee. Ist sie angekommen?«
»Ja.« Colt sah auf die Uhr. »Ich glaube, sie steigen jetzt gerade in den Zug nach Sylt. Na, willst du nun doch deine Memoiren schreiben?« Er wollte nach einem der Hefte greifen, doch der Alte schlug ihm auf die Hand.
»Finger weg!«
Der Schlag klatschte heftig, tat sogar weh, und Colt freute sich unwillkürlich. Der Alte hatte Kraft in den Armen und ein ausgezeichnetes Reaktionsvermögen.
»Schon gut.« Er nickte brav. »Aber erklär mir wenigstens, was das ist.«
»Das ist von unschätzbarem Wert. Dafür hat man versucht, mich zu erstechen, zu vergiften und zu erschießen.«
»Wer?«
»Erstechen wollten mich Steppenbanditen, eines Nachts im Zelt, aber ich war geschickter, habe ihnen das Messer entwunden und meine Kameraden geweckt. Vergiften wollte mich Jeshow, erschießen Berija. Das Gift habe ich selbst entdeckt, und vor der Erschießung hat mich Gleb Bokija bewahrt, das war schon nach dem Krieg, 1946.«
»Moment mal, du hast doch gesagt, Bokija sei 1937 erschossen worden. Wie kann er dich da nach dem Krieg gerettet haben?«
»Ganz einfach. Ich habe einen Teller kreisen lassen und seinen Geist angerufen. Er ist herumgeflogen, hat dem Richtigen etwas eingeflüstert und mich Gottesknecht vor dem unausweichlichen Tod bewahrt. Du bist ein ungebildeter Mensch, Pjotr. Was hat man dir an deiner philosophischen Fakultät nur beigebracht?«
»Wissenschaftlichen Atheismus, dialektischen Materialismus. Es gibt kein Leben nach dem Tod.«
»Gott schaffen diejenigen ab, die Seinen Platz einnehmen wollen. Atheismus führt immer zur Diktatur eines hemmungslosenParanoikers über
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