Bis in alle Ewigkeit
Millionen schüchterner Ungläubiger«, knurrte der Alte.
»Fjodor, hör bitte auf mit dem Blödsinn. Ich habe auch so schon seit heute früh furchtbare Kopfschmerzen.«
»Hast du getrunken?«
»Was glaubst denn du! Nach deinen wüsten Andeutungen über meinen Iwan habe ich zwei Nächte nicht geschlafen.«
»Was?«
»Natürlich bestreitet er alles, er hat mit mir ganz ruhig und vernünftig gesprochen.«
»Was?«, wiederholte der Alte.
»Das ist Schwachsinn, Fjodor, von Anfang bis Ende.« Colt hob die Stimme, schrie. »Mein Iwan hat niemanden umgebracht! Und er wird auch deine kostbare Sofie nicht anrühren. Er behandelt sie wie ein rohes Ei.«
Colt brüllte, schielte dabei unruhig auf die Hefte und versuchte, den Text auf dem Bildschirm zu lesen, doch da aktivierte sich der Bildschirmschoner.
Agapkin schaltete den Computer aus.
»Hör auf zu brüllen und schiel nicht auf den Bildschirm! Du würdest sowieso nichts kapieren. Ich habe gefragt, was du getrunken hast? Cognac?«
»Ja. Meine übliche Marke.« Colt seufzte schwer.
»Sag mal, willst du etwa nicht herausfinden, ob Dmitri ermordet wurde?«
»Doch. Ich werde alles tun, was ich kann. Das verspreche ich. Aber jetzt erklär mir endlich, wie dich der tote Bokija vor der Erschießung bewahrt hat!«
»Ganz einfach.« Agapkin schlug eines der Hefte auf und hielt es Colt vor die Nase. Colt sah akkurate Zahlen- und Buchstabenreihen, unverständliche Zeichen und Skizzen. Der Alte schlugdas Heft wieder zu und strich zärtlich über den roten Wachstucheinband.
»Eine Chiffre, ja?«, fragte Colt.
»Sieh an, du hast es erraten«, spottete Agapkin, »du bist ein Genie, Pjotr. Ich habe mich in dir nicht getäuscht. Das ist eine der raffiniertesten Chiffren von Bokija. Er war ein Meister im Verschlüsseln. Außer mir kennt niemand den Schlüssel. Niemand auf der Welt.«
»Und was ist das?«
»Die Materialien der Forschungsreise in die Wudu-Schambala-Steppen von 1929. Das Material, das alle Fachleute bis heute für endgültig verloren halten. Das Original existiert allerdings nicht mehr. Das wurde vernichtet. Das hier ist die einzige Kopie, aber ohne mich ist es nur eine sinnlose Ansammlung von Zeichen.«
»Und das willst du nun entschlüsseln und in den Computer übertragen?«
»Ja. Das versuche ich.«
»Warum hast du das nicht schon früher getan?«
»Ich hatte Angst, jemand könnte davon erfahren und es mir wegnehmen wollen. Mich erstechen, vergiften, erschießen.«
»Wer denn?«
»Es gibt genug Interessenten. Aber jetzt habe ich ja dich, Pjotr, du bist stark, klug und großzügig. Ich glaube dir, dass du mich beschützen wirst. Und auch Sofie. Vor allem sie, dann erst mich.«
Colt nickte mechanisch, knetete eine Zigarette und fragte nachdenklich: »Heißt das, auch Berija hat sich für Sweschnikows Methode interessiert?«
»Schluss, Pjotr. Mehr sage ich vorerst nicht.«
»Nein, warte, du hast doch gesagt, schon 1930, nachdem die Gefangenen, die man für Versuche benutzt hatte, zufällig erschossenworden waren, sei die Geschichte endgültig in Vergessenheit geraten.«
»Lass mich in Ruhe.«
Buton rollte den Servierwagen mit dem Tee und dem Kaffee herein. Agapkin schob das Heft in eine Schublade. Ein Blick auf sein Gesicht, die zusammengepressten Lippen und die eingekniffenen Augen sagte Colt, dass das Thema für heute beendet war, trotzdem fragte er: »Willst du es für sie entschlüsseln?«
»Für wen denn sonst? Für dich etwa?« Agapkin griff nach der Tasse und trank langsam, mit kleinen Schlucken, seinen Kamillentee.
»Sag mal, sieht sie Sweschnikows Tochter wirklich so ähnlich?«, fragte Colt leise.
»Was geht dich das an?«
»Es interessiert mich einfach.«
Agapkin stellte die Tasse ab, drehte sich mit seinem Sessel herum und starrte Colt an. Seine Augen wirkten plötzlich jung, klar und scharf. Colt hielt dem durchdringenden Blick stand. Eine ganze Weile schwiegen sie sich an. Adam kam herbeigehumpelt, blaffte ein paarmal und legte Vorderpfoten und Kopf auf den Schoß seines Herrn.
»Was meinst du«, fragte Agapkin und kraulte den Hund hinterm Ohr, »als dieser Hochstapler Melnik Sofie zu mir gebracht hat, habe ich sie da gleich erkannt?«
»Ich denke, du wusstest vorher, wer sie ist, und dass sie hier aufgetaucht ist, war dir zu verdanken.«
»Sehr gut. Richtig. Ich habe nach einem Weg gesucht, mit ihr in Kontakt zu treten. Natürlich hatte ich ihre Adresse und ihre Telefonnummern, aber ich wusste nicht, was ich ihr sagen sollte.
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