Bis in alle Ewigkeit
keine Pistole dabei.«
»Das war Ihr Glück, Fjodor.«
»Ich weiß nicht. Dann hätte ich sie erschossen und mich nicht so nichtsnutzig gefühlt.«
»Sie wollen ein Ritter von der traurigen Gestalt werden und gegen Windmühlenflügel kämpfen? Die Windmühlen hatten keine Gewehre, die haben nur ihre Flügel kreisen lassen. Sie hätten vielleicht einen von ihnen erschießen können, meinetwegen zwei. Der Dritte hätte Sie getötet.«
»Vielleicht wäre das besser gewesen. Man kann nicht weiterleben, wenn man sich verachtet.«
»Besser? Fjodor, was reden Sie da? Sie sind jung und stark und ein talentierter Arzt.«
»Ja? Und wen interessiert das? Wer braucht mich denn überhaupt?«
»Vor allem Sie selbst. Und ich brauche Sie. Sie wissen genau, wie ich zu Ihnen stehe und auch unsere ganze Familie. Muss ich Sie etwa adoptieren, damit Sie das begreifen? Oder jeden Tag wiederholen, wie sehr ich Sie schätze? Sie sind doch kein Kind und kein empfindsames Fräulein.«
»Verzeihen Sie, Michail Wladimirowitsch. Ich danke Ihnen, das haben Sie mir noch nie gesagt.«
»Gern geschehen.« Der Professor lächelte. »Ich halte es auch meinen Kindern gegenüber nicht für nötig, ihnen ständig zu versichern, wie sehr ich sie liebe. Ich dachte immer, solche Dinge verstünden sich ohne Worte, außerdem bin ich kein Meister großer Reden. Und was war dann?«
»Ich bin zu unserem Lazarett gegangen, ich hoffte, dort wenigstens Verbandszeug zu bekommen, aber unterwegs bin ich gestürzt und habe das Bewusstsein verloren.«
»Kein Wunder.« Sweschnikow nickte. »Sie haben sich so tapfer gehalten. Jeder Mensch hat seine Grenzen. Sie sind nervlich vollkommen erschöpft, Fjodor. Deshalb kommen Ihnen solche Dummheiten in den Sinn. Aber was ich nicht verstehe – warum das hohe Fieber? Einundvierzig, hat Maslow gesagt.«
»Das hatte ich schon als Kind, bei Aufregung bekomme ich immer Fieber. Im Gymnasium habe ich das sogar ausgenutzt, wenn ich eine Lektion nicht gelernt hatte. Dann fasste der Lehrer an meine Stirn und schickte mich nach Hause.«
»Und die Krämpfe? Das Herzrasen?«
»Hat Maslow das erzählt? Sie wissen doch, er übertreibt immer.«
»Das haben beide erzählt, er und Potapenko. Und der untertreibt eigentlich eher. Die beiden hatten Angst um Sie, und wir auch, als Sie so lange wegblieben. Maslow und Potapenko kamen ja erst am nächsten Tag. Sie haben übrigens mein Bein untersucht und waren zufrieden. Es verheilt ganz gut. Und mit dem Rollstuhl, den sie mir mitgebracht haben, kann ich mich jetzt wenigstens in der Wohnung bewegen. Nun, und was glauben Sie, was das bei Ossja war?«
»Vielleicht sind die Zysten aufgeplatzt? Der Beschreibung nach war es ähnlich wie das, was wir bei der grauen Ratte beobachtethaben. Herzrasen, Atemnot, Fieber. Aber selbst wenn sie geschlüpft sein sollten, dann wissen wir jetzt Gott sei Dank, dass das nicht tödlich ist. Ossja ist gesund.«
»Aber warum geschah das genau in dem Augenblick, als er von einem Felsen springen wollte? Er hat natürlich Angst bekommen, konnte aber nicht mehr zurück von seinem irrwitzigen Vorhaben. Er hat einen schweren Schock erlitten. Verprügeln sollte man ihn, den kleinen Mistkerl! Was für eine Idee! Seinen Ikamuscha wollte er retten! Unser Abenteuerschriftsteller! Vielleicht hat der Parasit ja gar nichts damit zu tun? Bei Ihnen war es doch fast das Gleiche. Ein Schock, Fieber und Krämpfe.«
»Ja, die Symptome sind ähnlich, aber die Ursachen unterschiedlich. Wie so oft in der Medizin«, sagte Agapkin gelassen, griff in den Käfig und berührte den Kopf von Grigori. »Wir müssen die Versuche fortsetzen, sonst verlieren wir uns in Vermutungen.«
»Ja, Sie haben recht, Fjodor. Wir müssen weitermachen.« Der Professor seufzte. »Sobald ich mich auf Krücken fortbewegen kann, werden wir das tun.«
»Was für ein dichtes, weiches Fell er hat«, bemerkte Agapkin und streichelte die Ratte, als wäre sie ein Kätzchen, »und wie seine Augen glänzen. Die Hinterpfoten sind wieder wunderbar beweglich, als wären sie nie gelähmt gewesen. Wie alt ist er jetzt, in Menschenjahre umgerechnet?«
»Schon weit über hundert wahrscheinlich.«
»Die Patriarchen im Alten Testament wurden noch älter. Adam hat mit 130 Jahren sogar noch Kinder gezeugt. Sein Sohn Seth wurde mit 105 Jahren Vater und ist insgesamt 912 Jahre alt geworden. Bis zur Sintflut war die Lebenserwartung sehr hoch.«
»Ja, ich habe auch vor kurzem angefangen, das Alte Testamentnoch einmal zu
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