Bis in alle Ewigkeit
kaum auszusprechen. Bim hat meinen Vater getötet. Boris Iwanowitsch Melnik.«
Moskau 1917
Viele Menschen besuchten Brussilow im Lazarett. Um den verwundeten General hatte sich eine Art Stab oder Klub geschart. Offiziere, Gesellschaftsaktivisten, Vertreter des YMCA, Diplomaten und Priester. Sie brachten Spenden, und Brussilow schickte das Geld über verschiedene Offiziere in den Süden, zu General Alexejew. Dort formierten sich die Truppen des Weißen Widerstands.
Brjanzew und Danilow hatten sich am Bett des Generals getroffen und waren rechtzeitig kurz vor der Durchsuchung gegangen.
»Sag mal, Pawel, willst du weiter in der Oberstuniform rumlaufen?«, fragte Brjanzew.
»Ich habe sowieso nichts anderes anzuziehen. In meine Wohnung hat eine schwere Granate eingeschlagen.«
»Du wohnst also bei Michail. Vielleicht solltest du wenigstens die Schulterstücke abreißen, wie andere auch. Warum machst du das nicht? Vergessen? Oder aus Prinzip?«
»Ich weiß nicht. Ich kann mich nicht selbst degradieren.«
»Wenn du es nicht kannst, werden die es tun. Lass uns durch die Höfe gehen, auf den Straßen wimmelt es von Patrouillen. Du bist also Vater geworden. Bist du glücklich? Ach, dumme Frage. Natürlich bist du glücklich. Sag mal, wohnt Fjodor Agapkin noch immer bei euch?«
»Ja. Warum fragst du?«
»Nur so. Oho, schau mal. Halt, tritt nicht drauf!«
Sie durchquerten einen Hof. Direkt vor ihnen rannten quiekend mehrere riesige graue Ratten vorbei.
»Als würden sie das sinkende Schiff verlassen«, sagte Danilow.
»Hör auf, Pawel.« Brjanzew verzog das Gesicht und winkte ab. »Mir ist schon ganz schlecht von diesen apokalyptischen Reden. Du hast gerade einen Sohn bekommen, und da trägst du das Land zu Grabe, in dem er leben wird? Vor wem haben wir alle solche Angst? Vor einem Haufen Banditen? Die werden bald quiekend auseinanderlaufen wie diese Ratten hier! Hast du ihre Dekrete gelesen? Das ist doch Schwachsinn! Die taugen zum Regieren wie ich zur Ballerina.«
Danilow schwieg. Brjanzew kam in Fahrt, er erwähnte Rasin, Pugatschow und die Französische Revolution. Als sie vor dem Haus in der Zweiten Twerskaja standen, besann er sich plötzlich.
»Ich Trottel komme mit leeren Händen! Wenn ich wenigstens einen Blumenstrauß für Tanja hätte, ist immerhin ein Ereignis, das erste Kind.«
»Unsinn, Roman«, sagte Danilow und öffnete die Tür. »Komm rein, sie werden sich auch ohne Blumen über deinen Besuch freuen.«
»Roman, bist du das?!«, rief der Professor aus dem Wohnzimmer.
»Ich bin’s, Michail, wer sonst? Na, lass dich anschauen. Ich muss schon sagen, du bist gut – plötzlich den General rauszukehren. Welcher Teufel hat dich alten Esel geritten und auf die Barrikaden getrieben? Tanja, wie konntest du ihn gehen lassen? Und du Fjodor, wo hattest du deine Augen?«
Brjanzew küsste alle, ging in Tanjas Zimmer, um den Säugling zu bewundern, stieß begeisterte Ausrufe aus und deklamierte laut einen Spottvers, der in Moskau kursierte:
»Lauter Flegel, ungenierte,
ungewaschne Deputierte –
Diese dreiste, freche Bande
bringt über ganz Russland Schande.
Da habt ihr die öffentliche Meinung über die Bolschewiki! Von Rückhalt im Volk kann nicht die Rede sein.«
»Roman, sie haben Petrograd in einer einzigen Nacht eingenommen«, bemerkte der Professor leise.
»Eingenommen!« Brjanzew lachte. »Michail, das war eine Operette, eine Situationskomödie reinsten Wassers, mit Verkleidungen und allem Drum und Dran.«
»Eine Komödie ist lustig«, sagte Tanja, »dass sie Piter eingenommen haben, das ist zum Weinen, nicht zum Lachen.«
»Roman, ich habe das Gefühl, dass wir alle nicht nur abgestumpftsind, sondern den Verstand verloren haben«, sagte der Professor, »wir kapitulieren, lassen uns ergeben entwaffnen. Wie unter Hypnose.«
»Unsinn, Michail. Wir lassen uns entwaffnen, weil wir kein Blutvergießen wollen. An Kapitulation aber denkt niemand. Ich gehe jede Wette ein, dass in einem Monat von den Bolschewiki nur noch der bittere Hauch der Erinnerung übrig sein wird. Na, wer hält dagegen?«
»Ich«, sagte Agapkin.
Er hatte die ganze Zeit wie immer schweigend an dem kleinen Tisch in der Ecke gesessen. Alle zuckten zusammen, als er in der Stille plötzlich die Stimme erhob.
»Fjodor!« Brjanzew drehte sich zu ihm um. »Also, ich setze zehn Rubel. Ich gebe ihnen einen Monat, aber ich glaube, das ist schon zu viel.«
»So, gibst du ihnen, ja?« Danilow hob die Brauen. »Haben sie dich denn
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