Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Daschkowa
Vom Netzwerk:
mir furchtbar schlecht, ich dachte, ich müsste sterben, genau wie damals in Moskau im Lazarett.«
    Agapkin faltete den Brief zusammen und legte ihn wieder unters Kopfkissen. Michail Wladimirowitsch und Tanja würden ihm bestimmt verzeihen, dass er ihn geöffnet und gelesen hatte.
    Fische steigen an die Oberfläche. Mäuse und Ratten verlieren die Angst vor Katzen. Die Parasiten steuern das Verhalten ihres Zwischenwirts. Doch was wollen sie von ihrer endgültigen Behausung? Dass sie heil und ganz bleibt. Fühlen sie, was wir fühlen? Können sie unsere Gedanken lesen? Ossja wollte von einem Felsen ins Meer springen. Ich wollte mich erschießen. Haben sie unsere Absicht erraten und uns ein lähmendes Gift ins Gehirn gespritzt? Weder er noch ich haben unser Vorhaben ausführen können. Im letzten Augenblick sind wir zur Salzsäule erstarrt wie Lots armes Weib. Warum? Weil du dich nicht mehr umschauen und dem Tod nicht mehr in die Augen blicken darfst, wenn du die Chance bekommen hast, ihm zu entwischen.
Sylt 2006
    Aus Mickis Zimmer oben drang am Morgen Musik. Gerda freute sich. In der letzten Woche hatte ihr Micki gar nicht gefallen. Er war schlaff und irgendwie schläfrig geworden. Hatte das Essen verweigert und tagsüber auf dem Sofa gelegen und an die Decke gestarrt, was er zuvor nie getan hatte. Gerda hatte ihn gewaltsam zum Spazierengehen hinausgejagt, aber er war jedes Mal schon nach zwanzig Minuten heimgekommen und hatte sich wieder aufs Sofa gelegt. Sie hatte sich diverse Vorwände ausgedacht, damit er mit ihr hinausging, zum Beispiel einkaufen.
    »Micki, Sie brauchen einen anständigen Pullover.«
    »Wozu?«
    »Wenn das Fernsehen mal wieder kommt, haben Sie nichts anzuziehen.«
    »Ich lasse mich nicht mehr filmen.«
    »Nie mehr?«
    »Gerda, bitte lass mich in Ruhe.«
    Dann schwieg sie beleidigt, hielt das aber nie länger aus als eine halbe Stunde.
    »Micki, die Vorhänge in der Küche hängen schon fünfzehn Jahre da, so lange, wie ich hier arbeite. Die Flecken gehen beim Waschen nicht mehr raus, das sieht scheußlich aus, Sie brauchen neue.«
    »Nimm dir Geld und kauf welche.«
    »Damit Sie dann sagen, dass es Ihnen von diesem Muster vor den Augen flimmert? O nein, seien Sie so gut, bequemen Sie sich vom Sofa und kommen Sie mit. Dann kaufen wir Ihnen auch gleich ein paar warme Hemden, einen Pullover und eine Decke fürs Gästezimmer.«
    »Wozu? Ich erwarte keine Gäste.«
    »Auch wenn Sie keine erwarten, kommen ja vielleicht doch mal welche.«
    »Wer denn?«
    »Nun, zum Beispiel der ältere Journalist aus Petersburg, der über den Krieg und über berühmte Spione schreibt.«
    »Hast du vergessen, dass ich dir verboten habe, ihn ins Haus zu lassen?«
    »Warum?«
    »Mir gefällt nicht, wie er schreibt.«
    Gestern nun hatte sie es endlich geschafft, ihn zum Einkaufen zu bewegen. Als er einen Pullover anprobierte, hatte die Verkäuferin ihr allerdings ins Ohr geflüstert: Der arme Micki sieht schlecht aus, es geht wohl zu Ende mit ihm.
    Als sie am Morgen die Musik aus seinem Zimmer hörte, beschloss sie, ihm aus diesem Anlass eine seiner Lieblingsspeisen zum Frühstück zu machen: Kartoffelpuffer. Mickis Lieblingsleckerei aus seiner fernen russischen Kindheit. Die hatte seine alte Kinderfrau ihm im hungernden Moskau kurz nach derRevolution manchmal gemacht, allerdings waren die Kartoffeln süßlich gewesen, weil sie gefroren waren, das heißt, es waren eigentlich gar keine Kartoffeln, sondern nur Kartoffelschalen, in bitterem Öl gebraten.
    »Ich kann mir gut vorstellen, wie diese Kartoffelpuffer gerochen und geschmeckt haben!«, knurrte Gerda, während sie geschickt ihre appetitlichen goldbraunen Puffer wendete. »Ph, von wegen, es geht zu Ende mit Micki, auch junge Leute haben manchmal Depressionen. Nach dem Frühstück machen wir uns auf ans Meer, aber nicht zum Rumsitzen, sondern zum Spaziergang, und heute Abend werde ich ihn bitten, den russischen Film über den Einfaltspinsel einzulegen, dem Banditen Brillanten in den Gipsarm schmuggeln. Und mir alles zu übersetzen. Dann wird er wieder lachen, er lacht immer, wenn er diesen Film sieht. Und jetzt hört er gerade ein Lied daraus.«
    Die Musik war ziemlich laut, also war die Tür zu seinem Zimmer wohl offen. Gerda glaubte, Micki mitsingen zu hören. Sie schob die Puffer auf einen Teller, stellte die Pfanne in den Geschirrspüler und rief: »Micki! Das Frühstück ist fertig!«
    Kurz danach kam er herunter ins Esszimmer. Gerda hatte sich nicht geirrt, er sang

Weitere Kostenlose Bücher