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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Daschkowa
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kein einziges Mal gelächelt.
    »Fjodor Fjodorowitsch, wie geht es Ihnen?«
    »Danke, gut.« Agapkin räusperte sich und stellte verwundert fest, dass er sich tatsächlich frisch und ausgeruht fühlte.
    »Nach so vielen schlaflosen Nächten und schweren Enttäuschungen brauchen Sie Erholung«, fuhr der Fahle fort, »Ihre Nerven sind zerrüttet. Sie verstehen nicht, warum die Experimente von Professor Sweschnikow erfolgreich enden, Ihre Versuchstiere dagegen sterben. Das kann einem schon den Verstand rauben.«
    Der Weißblonde schaute ihm unverwandt in die Augen und sprach sanft und langsam, und Agapkin hatte weder die Kraftnoch den Wunsch, zu lügen. Im Gegenteil, er verspürte das Bedürfnis, diesem ruhigen klugen Mann alles mitzuteilen, was ihn seit Monaten so quälte.

Fünftes Kapitel
    Pjotr Colt hatte wie gesagt keine Familie. Aus Zeitmangel und Unlust. Er traute den Frauen nicht und hielt die Liebe für nichts als eine Ware, wie Öl, Aluminium oder Erdgas. Er konnte sich jedes Mädchen kaufen, das ihm gefiel, Unnahbarkeit war dabei nur eine Frage des Preises.
    In seinen Kreisen hatte es schon zu Sowjetzeiten spezielle Kuppler gegeben, die für sehr reiche Kunden die schönsten Mädchen ausfindig machten, ihnen Dutzende Fotos vorlegten und romantische »Zufallsbekanntschaften« arrangierten. Man konnte beliebige Frauen in beliebiger Menge auswählen. Der Kuppler garantierte für die Qualität der Ware, in medizinischer wie juristischer Hinsicht.
    Es waren ausnahmslos redliche, saubere, kultivierte Mädchen, die gern heiraten wollten, aber keinen Schlosser oder Ingenieur, sondern einen repräsentablen Mann. Hin und wieder heiratete ein Repräsentabler tatsächlich ein solches Mädchen, aber das geschah selten, denn meist waren sie schon verheiratet, oder sie wollten gar keine Familie gründen – wie Pjotr Colt.
    In der Liebe war Colt genau wie bei seinen Geschäften zielstrebig, großzügig, aber äußerst vorsichtig. Da er die Freundinnen häufig wechselte, achtete er darauf, sie nicht zu schwängern, und wenn ein Schätzchen ihm erzählte, sie erwarte ein Kind von ihm, wusste er genau, dass sie log.
    Eines späten Abends lag Colt in völliger Einsamkeit auf dem Sofa in seinem riesigen halbdunklen Wohnzimmer, schaute insKaminfeuer und zappte sich träge durch die Fernsehkanäle. Plötzlich tauchte auf dem riesigen Bildschirm das Gesicht einer dieser Verflossenen auf. Es lief eine nächtliche Talkshow.
    »In der Kunst geht es mir vor allem um das Spirituelle«, sagte die Dame, »ich bin ein frommer Mensch.«
    Sie trug eine unglaublich protzige Bluse, rosa und durchsichtig wie eine Qualle. Ihre künstlichen Wimpern bebten. Die angemalten Augenbrauen hoben sich in naivem Staunen. Aber so ganz jugendfrisch war sie nicht mehr. Dann sah er sich selbst in zehn Jahren: alt und hilflos. Womöglich senil und gelähmt.
    Am nächsten Morgen rief er seinen alten Bekannten an, den Gouverneur des autonomen Wudu-Schambala Bezirks. Er wollte ihn seit langem in seiner fernen Steppe besuchen, nicht nur wegen der Ölbohrtürme und der Gestüte, sondern auch, weil dort in der Einöde ein Mann lebte, der hundertzehn Jahre alt war. Er sah blendend aus, war munter und voller Kraft, ritt, trank Wein, und sein jüngster Sohn war zweieinhalb.
Moskau 1916
    »Fräulein, Tatjana Michailowna, Telefon aus dem Lazarett.«
    Tanja öffnete mühsam die Augen. Sie war unversehens im Sessel im Salon eingeschlafen. Vor ihr stand das aufgeregte Dienstmädchen Marina.
    »Wie? Was ist? Wie spät ist es?«
    »Schon nach elf. Sie sagen, es ist dringend. Ich hab gesagt, Michail Wladimirowitsch ist im Theater, und da haben sie gesagt, ich soll Sie rufen. Ich sage, sie schläft, aber sie: Weck sie. Dieser Junge da, der kleine Jude, der stirbt wohl.«
    Tanja stürzte ans Telefon.
    »Sieht schlecht aus. Es geht zu Ende mit ihm«, teilte der Feldscher Wassiljew düster mit.
    »Nein!«, rief Tanja. »Nein, ich bin gleich da.«
    Sie rannte aus der Wohnung, in ihrer Hausjacke, mit dem alten Stricktuch der Kinderfrau. Während sie die Treppe hinunterlief, hörte sie ein Telefonklingeln und Marinas laute Stimme: »Sie ist gerade losgerannt. Ohne ein Wort.«
    Michail Wladimirowitsch würde frühestens gegen ein Uhr nachts nach Hause kommen. Ljubow Sharskaja hatte ihn zur Premiere ihres Stücks Colombines Leidenschaft entführt. Anschließend war ein Abendessen geplant. Das Theater war weit weg, in der Sretenka. Die genaue Adresse wusste Tanja nicht.
    Eine Droschke

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