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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Daschkowa
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bekam sie erst am Triumfalnaja-Platz. Der schläfrige Klepper schleppte sich unerträglich langsam voran. Tanja, nach ihrer Rennerei wieder abgekühlt, fror nun in der dünnen Jacke. Ihre Zähne klapperten, sie betete und beschwor den Kutscher: »Schneller, bitte, schneller!«
    Die Proswirin-Gasse war schmal und dunkel. Das Theatergebäude lag versteckt zwischen Mietshäusern. Tanja konnte das Schild nur mit Mühe erkennen.
    »Warten Sie hier, ich bin gleich zurück!«
    »Halt! Und wer zahlt?« Der Kutscher sprang gewandt vom Bock und packte sie am Arm. »Solche Leute kennen wir. Bin gleich zurück! Das ist ein Durchgangshof, du rennst weg und haust ab!«
    »Lassen Sie mich los! Ich habe kein Geld dabei, mein Vater ist im Theater, er wird Sie bezahlen, warten Sie hier, nur zehn Minuten, höchstens.« Tanja versuchte sich loszureißen, aber der Kutscher hatte einen eisernen Griff.
    »Der Vater zahlt! Solche kennen wir! Wieso bist du eingestiegen, wenn du kein Geld dabei hast? Ich bring dich jetzt aufs Revier!«
    Die Gasse war menschenleer. Tanja sah das feiste rote Gesicht im trüben Lampenlicht dicht vor sich und wusste: Er würde sie nicht loslassen, und befreien konnte sie sich nicht. Am linken Handgelenk trug sie eine kleine goldene Uhr, die hielt sie dem Kutscher dicht vor die bösen Augen.
    »Hier, nehmen Sie die Uhr, als Pfand.«
    »Zeig mal her!« Der Kutscher griff nach ihrem linken Arm und betrachtete die Uhr. »Als Pfand, sagst du? Na, meinetwegen.« Mit seinen dicken Fingern löste er rasch das Armband.
    Tanja riss sich los und lief zum Theater, rannte in das leere, halbdunkle Foyer, vorbei an dem schlafenden Portier, und stieß am Eingang zum Zuschauersaal auf Ljubow Sharskaja, die an eine Säule gelehnt dastand und rauchte.
    »Tanja! Das ist ja eine Überraschung!«
    »Ljubow Alexejewna, verzeihen Sie, ich will zu meinem Vater, es ist dringend. Wo sitzt er? In welcher Reihe?«
    »Willst du ihn etwa rausholen? Jetzt? Bist du verrückt? Auf keinen Fall! Du versaust mir die Premiere! Da läuft gerade die wichtigste Szene, ich bin rausgegangen, weil ich so schrecklich aufgeregt bin, warte noch! Erklär mir wenigstens, was los ist!«
    Doch Tanja schob sie beiseite und schlüpfte in den Saal. Sie musterte die Hinterköpfe der Zuschauer in den vorderen Parkettreihen, aber es war zu dunkel. Sie lief durch den Seitengang weiter nach vorn. Schnell hatte sie den Bühnenrand erreicht. Jemand auf einem Klappsitz berührte ihren Arm und flüsterte leise: »Setzen Sie sich irgendwohin oder gehen Sie!«
    Sie holte tief Luft und schrie, das Orchester übertönend, das gerade etwas Bravouröses spielte: »Papa!«
    Alle Köpfe im Parkett wandten sich in ihre Richtung, neben ihr wurde empört gezischt. Aus der Mitte der zweiten Reihe erhob sich Sweschnikows hohe Gestalt und lief rasch zu Tanja.
    Der Kutscher war weggefahren, offenbar fand er, dass die Uhr mehr wert war, als die Fahrgäste ihm bezahlen würden. Sweschnikow zog Tanja seinen Mantel an, und sie liefen die leere Gasse entlang zur Sretenka, fanden aber erst in der Sadowaja eine Droschke.
    »Bete, sei gefasst«, flüsterte Sweschnikow und drückte Tanjas Hand. »Früher oder später wäre das ohnehin passiert, er ist ein mutiger Junge, er hat gekämpft, hat sich nichts anmerken lassen, aber ich weiß, wie schlecht es ihm ging. Und du weißt es auch. Er hat sich mit letzter Kraft am Leben gehalten.«
    »Nein. Untersteh dich, so zu reden.« Tanja riss ihre Hand los und wandte sich ab.
    Bis zum Lazarett schwiegen sie. In der halbdunklen Halle trafen sie auf Schwester Arina.
    »Na, Gott sei Dank, Sie haben es geschafft, nun können Sie wenigstens noch Abschied nehmen. Er ist ohne Bewusstsein, aber er atmet noch, sein Puls ist sehr schwach«, sagte sie. »Ich will in die Apotheke, ein Sauerstoffkissen holen. Vor einer Stunde wollten sie einen Boten schicken, aber er kommt und kommt nicht, und unsere Vorräte waren schon gestern aufgebraucht.«
    Ossja lag in dem kleinen Behandlungszimmer. Seine Augen waren halboffen, sein Gesicht war spitz und glatt. Er atmete schwach und röchelnd. Neben ihm standen der Feldscher Wassiljew und der Chirurg Potapenko.
    Sweschnikow hob ein Augenlid von Ossja an und fühlte seinen Puls.
    »Zweimal ist das Herz stehengeblieben, wir haben eine künstliche Beatmung und eine Herzmassage gemacht«, berichtete der Chirurg.
    »Ossja«, rief Tanja leise und strich über den grauhaarigen Kinderkopf. »Ossja, ich bin hier, Papa auch, wir sind bei

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