Bis in alle Ewigkeit
Haus dulde ich keine Keramik. Und lass das »Äh«. Achte auf deine Sprache. Das Eis servierst du mir in Kristall. Klar?«
»Zu Befehl, Genosse General!«
Der Kahlgeschorene entfernte sich rückwärts.
»Sie schicken einem lauter kriminelles Gesindel«, knurrte Agapkin. »Nun, ich bin ganz Ohr, Sofja Dmitrijewna.«
»Sind Sie wirklich General, Fjodor Fjodorowitsch?«, fragte Sofja. »Ich dachte, Sie seien Arzt gewesen und hätten am Institut für experimentelle Medizin gearbeitet, im Labor für spezielle Psychophysiologie.«
»Das eine schließt das andere nicht aus.« Agapkins lila Lippen hörten auf zu mümmeln und verzogen sich zu einem Lächeln. Die blendend weißen Zähne seines künstlichen Gebisses wirkten schaurig.
Das Lächeln einer Mumie, musste Sofja plötzlich denken.
»Bei welcher Truppe waren Sie denn General?« Sie bemühte sich, an ihm vorbeizuschauen, zum Hund, zu den Kakteen.
»Bei der unsichtbaren«, antwortete Agapkin und lachte dumpf.
Das Lachen ging in Husten unter. Der Greis bebte, seine Augen quollen hervor, die Adern auf seiner Stirn schwollen bedrohlich an. Der Hund jaulte, legte die Vorderpfoten schwerfällig auf den Schoß seines Herrn und leckte ihm das Gesicht.
»Soll ich Ihnen ein Glas Wasser bringen?«, fragte Sofja.
Agapkin schüttelte den Kopf, hustete noch ein paarmal und verstummte, als hätte sich ein rostiger quakender Apparat in seinem Inneren abgeschaltet. Der Hund beruhigte sich ebenfalls, seufzte und legte sich vor seinem Herrn nieder. Die Adern des alten Mannes waren wieder abgeschwollen, sein Gesicht war nicht mehr dunkelrot, sondern gelb wie Pergament.
»Mit unsichtbarer Truppe meine ich etwas durchaus Konkretes, Reales«, sagte er, »es hat viele Namen. Tscheka, OGPU, NKWD, KGB, FSB. Mit den letzten drei Buchstaben habe ich allerdings nichts zu tun. Ich bin seit 1980 im Ruhestand. Zeigen Sie mir Ihre Fotos.«
Sofja öffnete die Aktentasche ihres Vaters, entnahm ihr den Umschlag und legte ihn in die zitternde Hand. Der alte Mann kam nicht dazu, die Fotos herauszunehmen. Der Kahlgeschorene rollte einen Glastisch mit Rädern herein. Darauf stand eine langstielige Kristallschale mit drei verschiedenfarbigen Kugeln Eis. Darauf Obststückchen, Nüsse und Schlagsahne. Der Kahlgeschorene stellte den Tisch vor Agapkin und ging wieder.
Der Greis schob den Umschlag unter sein Plaid, ohne ihn zu öffnen, sah Sofja durchdringend an und sagte: »Bedienen Sie sich.«
»Danke, ich darf nicht.«
»Essen Sie!« Agapkin hob die Stimme.
»Aber Sie wollten doch Eis, Fjodor Fjodorowitsch, ich darf wirklich nicht.«
»Bitte, ich bitte Sie, ich habe großen Appetit auf Eis.«
»Nun, dann essen Sie es doch!« Sofja wurde ein wenig ärgerlich.
»Sie verstehen nicht?« Er schüttelte traurig den Kopf. »Schön, dann erkläre ich es Ihnen. Ich darf das schon lange nicht mehr. Ich ernähre mich von lauter Scheußlichkeiten. Haferschleim, nüchterne passierte Suppen, gekochtes Gemüse ohne Salz. Aber ich habe gelernt, Genuss zu empfinden, wenn ich einem anderen beim Essen zuschaue. Nicht jedem natürlich. Wenn zum Beispiel dieses stumpfe Schwein vor meinen Augen Eis fressen würde«, Agapkin senkte die Stimme und nickte in Richtung Küche, »würde ich nichts empfinden als Mitleid mit der guten Speise.«
»Geben Sie es Adam«, schlug Sofja vor, »sehen Sie, er lechzt schon danach.«
Der Hund hatte sie verstanden, er wedelte mit dem Schwanz und legte die Schnauze in ihren Schoß.
»Er darf auch nicht«, sagte sein Herr, »nach Hundezeitrechnung ist er fast so alt wie ich. Strengste Diät. Von Süßem bekommt er eitrige Augen, von Kaltem Husten. Essen Sie das Eis. Und wir beide schauen zu.«
»Fjodor Fjodorowitsch, ich würde wirklich gern, zumal ich Eis liebe, aber ich war ziemlich krank und habe einfach Angst.«
»Was hatten Sie denn?«
»Angina. Und eine Mittelohrentzündung.«
»Aha, verstehe. Tja, also kein Eis. Dann wird es eben niemand essen, soll es schmelzen.« Agapkin bewegte mümmelnd die Lippen. »Nun, was sind das für Fotos?«
Er holte den Umschlag unter dem Plaid hervor, öffnete ihn, sah lange die Fotos durch, breitete sie auf seinem Schoß aus, nahm sie in die Hand, hielt sie sich dicht vor die Augen, roch sogar daran, berührte mit seinem langen Fingernagel ein Gesicht,als wollte er es auskratzen, öffnete und schloss den Mund und leckte sich die Lippen. Sofja hörte ihn hastig und erregt schnaufen. Ihr fiel auf, dass er keine Brille aufgesetzt hatte, keine
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