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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Daschkowa
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Oberkommandierenden der Front. Danilow las sie.
    »Herr Oberst, der Zug geht in zwei Stunden, das Automobil wartet unten«, sagte der Bote.
Moskau 2006
    Gut, dass Sofja mit der Metro zur Brestskaja gefahren war. Sie hätte jetzt kaum Auto fahren können. Sie verließ das Haus schwankend, wie betrunken. Es war schon dunkel. Schnee fiel in großen Flocken. Sie lief die Twerskaja-Jamskaja in Richtung Zentrum.
    Wie gern würde sie sich sagen: Der Ärmste ist senil, es ist dumm, seinen Worten Beachtung zu schenken, er phantasiert. Er kann nicht wissen, dass ich nach Deutschland fahre, er hatnur vor sich hin gemurmelt, er ist fast hundertsechzehn Jahre alt. So lange lebt kein Mensch.
    Sie ging langsam, ihr war schwindlig. Sie fühlte sich einsam, hilflos und ebenso alt wie Agapkin. Sie hatte auf einmal das Gefühl, schon ungeheuer lange zu leben, nicht dreißig, sondern hundertdreißig Jahre oder dreihundertfünfzig oder weiß der Teufel wie lange, und dass die Fotos in der Aktentasche nicht irgendein fremdes Leben zeigten, sondern ihr eigenes.
    Sie hatte ihre Handschuhe nicht gefunden. Die Linke hatte sie zur Faust geballt und in den Ärmel des Lammfellmantels gesteckt, wo sie einigermaßen warm blieb, in der Rechten hielt sie die Aktentasche. Die Hand war ganz taub, die Kälte kroch hoch bis zur Schulter und weiter durch den ganzen Körper.
    Ein paar Schritte vor ihr leuchteten die Fenster eines Cafés. Sofja ging hinein, setzte sich an einen Tisch in der Ecke und bestellte einen starken Kaffee und einen Toast.
    Es lief Musik, ruhiger alter Jazz. Am Nebentisch saßen zwei Männer, ein junger und ein älterer, unterhielten sich leise, lächelten und runzelten die Stirn. Mitten in einem heiseren Saxophonsolo glaubte Sofja plötzlich den Älteren sagen zu hören: »Er ist tot. Also haben sie ihn nicht überreden können.«
    Dann fiel seltsamerweise mehrmals der Name »Danilow«. Natürlich waren das nur akustische Halluzinationen. Das widerfuhr Sofja häufig. Dann hörte sie ihre eigenen Gedanken wie von außen, sie entstanden aus den Geräuschen um sie herum, die sich zu Wörtern und Sätzen formten.
    »Nein«, flüsterte Sofja und kniff die Augen zusammen, »nein!«
    Sie musste sich davon überzeugen, dass der alte Agapkin senil war und Unsinn redete. Er wusste nichts, erinnerte sich an nichts. Sie hätte ihn nicht anrufen und nicht besuchen sollen. Nun verstand sie noch weniger.
    Aber wenn er senil ist, warum habe ich dann nach diesem Gespräch solches Herzklopfen? Es liegt nicht an ihm, sondern an mir. Papa ist tot, und es ist noch zu wenig Zeit vergangen. Agapkin ist klar im Kopf und hat ein gutes Gedächtnis. Er hat gesagt, in Deutschland würde ich alles selbst erfahren, wozu also die Panik. Ich komme sowieso nicht raus aus dem Kreis meiner eigenen Ahnungen, Vermutungen, Ängste und akustischen Halluzinationen.
    Wenn sie früher mit Bim bei Agapkin gewesen war, hatte dieser viel Interessantes erzählt. Er erinnerte sich an Professor Sweschnikow und seine drei Kinder Wolodja, Tanja und Andrej und sogar an die uralte Kinderfrau. Doch nie, mit keinem Wort hatte er die Versuche des Professors erwähnt. Wenn Sofja danach fragte, wechselte er sofort das Thema.
    »Lass ihn damit in Ruhe«, sagte Bim, »durchaus möglich, dass er das Präparat an sich selbst ausprobiert hat, aber es ist missglückt.«
    »Wieso missglückt, wenn er noch immer lebt?«, fragte Sofja erstaunt.
    »Ist das etwa ein Leben? Seine Beine sind gelähmt, er ist hilflos wie ein Kleinkind.«
    »Aber sein Kopf funktioniert bestens, und sein Gedächtnis ist phänomenal.«
    »Demenz oder sogar der Tod wären für ihn eine Wohltat, die Rettung. Ich denke, es ist nicht das Präparat. Ich bin nicht einmal sicher, dass Sweschnikow etwas Wesentliches erfunden hat. Agapkins hohes Alter ist gar nicht so einzigartig. In den Bergen von Abchasien leben Menschen, die hundertfünfzig sind.«
    Genau. Der Genotyp. Es liegt am Genom, an den Stammzellen, und Sweschnikow hat die arme Zirbeldrüse traktiert. Fünftausend Jahre lang hat man sie traktiert – die Ägypter, die indischenYogi, die buddhistischen Lamas. Man muss einen ganz anderen Weg gehen.
    Michail Sweschnikow ließ Bim keine Ruhe. Dauernd versuchte er zu beweisen, dass Sweschnikows verlorengegangene Entdeckung nichts als ein Mythos war.
    Warum wollte er unbedingt etwas beweisen, woran sowieso niemand zweifelte? Wie konnte man etwas widerlegen, das niemand kannte? Den alten Agapkin hatte Bim ausfindig gemacht,

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