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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Daschkowa
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weil er besessen war von allem, was mit Sweschnikow zu tun hatte. Doch der Alte hatte nie etwas über Verjüngungsversuche erzählt. Hatte er es vergessen? Nichts darüber gewusst? Oder nicht reden wollen?
    Sofja erinnerte sich deutlich an einen Septemberabend vor über einem Jahr. Sie kam mit Bim von Agapkin. Es nieselte. Sie waren in dasselbe Café gegangen, in dem sie nun saß.
    »Warum schreibt Agapkin nicht seine Memoiren?«, fragte Sofja. »Er erinnert sich an so vieles.«
    »Achtzig Prozent dessen, woran er sich erinnert, ist noch heute Staatsgeheimnis.«
    »Unsinn! Die Archive sind doch inzwischen alle offen.«
    »Woher weißt du das? Schön – sag, was ist das für eine Mütze, die er trägt?«
    »Keine Ahnung. Einfach eine Mütze, damit er nicht friert am Kopf.«
    »Eben nicht. Das ist die rituelle Kopfbedeckung eines Meisters einer Freimaurerloge. Ich weiß nicht, welchen Grad er hat, aber er hat sehr eng mit diesen Dingen zu tun.«
    »Ach – er ist Freimaurer?«
    »Und ob!« Bim flüsterte jetzt. »Da gibt es nichts zu lächeln. Du kannst dir nicht vorstellen, wie ernst das ist.«
    »Ja, klar, schrecklich ernst. Eine weltweite Verschwörung geheimnisvoller Bösewichte hat alle Sphären des Lebens mit einemunsichtbaren Spinnennetz überzogen. Finden Sie nicht, dass das zu bequem ist, um wahr zu sein? Es gibt keine Schurken, Diebe, Irren, Faulenzer und Trinker, es gibt keine Gier, keinen Neid, nein, es gibt nur die Freimaurer, die sind an allem schuld. Kriege, Revolutionen, Umweltkatastrophen – alles ihr Werk. Wobei keiner so recht weiß, wer sie eigentlich sind und was ihnen das alles nützt. Aber ihretwegen stürzen Flugzeuge ab, und ihretwegen sind bei uns im Institut dauernd die Abflüsse verstopft.«
    »Ja, die Kanalisation, der Schimmelpilz an den Wänden und die fehlende Ausrüstung sind allzu oft der Grund dafür, dass man versehentlich vergisst, mich zu wichtigen internationalen Konferenzen einzuladen.«
    »Aber Boris Iwanowitsch, Sie reisen doch in letzter Zeit recht häufig ins Ausland«, wandte Sofja vorsichtig ein.
    »Du willst mir einreden, dass alles bestens ist?« Bim schrie so laut, dass man sich von den Nebentischen zu ihm umdrehte. Er besann sich und flüsterte wieder. »Nein, meine Liebe, es steht schlecht, sehr schlecht, und dahinter stehen ihre Machenschaften. Sie behindern mich ständig, lassen mich nicht groß rauskommen.«
    »Aber Sie sind doch kein Schlagerstar, dass Sie groß rauskommen müssen.«
    Er hatte sie nicht gehört. Er redete erregt weiter, die Augen huschten hinter seiner Brille hin und her, seine Finger zerfetzten eine Papierserviette.
    »Sie lassen mich nicht groß rauskommen, und weißt du, warum? Weil ich will, dass die Lebensverlängerung jedem zugänglich wird, der es möchte. Sie dagegen wollen das nur für sich. Und weil ich Russe bin. Sie haben Russland und die Russen immer gehasst.«
    Damals, vor einem Jahr, hatte Sofja glauben wollen, dass Bimscherzte. Aber er scherzte keineswegs. Er hatte lauter populärwissenschaftliche Bücher gelesen und zählte sich zu der ehrenvollen Reihe der Opfer einer bösartigen, weltweiten Verschwörung. Sofja wurde traurig und empfand Mitleid mit Bim. Sie kannte ihn seit ihrer Kindheit, er war ein begabter Wissenschaftler, ein kluger Mann. Über Agapkin hatten sie nicht mehr gesprochen, weder damals noch später. Bim redete in letzter Zeit überhaupt nur noch von sich und von dem Geld, das er brauche, um groß rauszukommen. Und über Professor Sweschnikow.
    Sofjas Kaffee und ihr Toast wurden gebracht. Endlich wurde ihr wieder warm, und sie beruhigte sich ein wenig. Ja, wie wollte sie überprüfen, dass die letzten Ereignisse – der plötzliche Tod ihres Vaters und das ebenso plötzliche Angebot einer glänzenden, perspektivreichen Arbeit in Deutschland – nicht irgendwie unheilvoll miteinander zusammenhingen? Und ob der hundertundsechzehn Jahre alte Mann, ein General der »unsichtbaren Truppen« mit der rituellen Freimaurermütze auf dem gelben Schädel, ein Glied dieser seltsamen Kette war?
    Ihr Vater war an akutem Herzversagen gestorben. Nach Deutschland flog sie, weil sie überraschend ein hervorragendes Angebot bekommen hatte. Sie war eine passable Biologin, sie arbeitete viel. Was hatte sie denn außer ihrer Arbeit? Keine Familie, keine Kinder, keinerlei Privatleben. Die Trauer um ihren Vater. Verbitterung und Leere nach Petjas Hochzeit. Nichts hielt sie in Moskau. Ihre Mutter würde wieder nach Sydney zurückkehren.

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