Bis in alle Ewigkeit
warum sie starb und wie man sie dazu bringen konnte, ewig zu leben.
Als er mit seiner Forschung kurz vor einem realen Ergebnis stand, stellte sich heraus, dass ihm jemand zuvorgekommen war, die Entdeckung war bereits gemacht worden, der Nobelpreis vergeben, andere hatten die Lorbeeren geerntet, das Geld kassiert.
Ende der sechziger Jahre begann er sich für die Epiphyse zu interessieren und entdeckte viele Rätsel um diese von der Wissenschaft anscheinend vergessene kleine Drüse. Ihm wurde klar: Genau dort lag das wichtigste Geheimnis des Lebens verborgen. Tief im Gehirn, direkt in seinem Zentrum, verbarg sich die Feuerquelle des uralten mythologischen Rauches.
Melnik hatte es nicht eilig, die umwerfenden Ergebnisse seiner Forschungen jemandem mitzuteilen.
Mehrere Jahre lang experimentierte er eifrig mit Fröschen, Ratten und Kaninchen, er isolierte und studierte das HormonMelatonin und überlegte bereits, in welcher Form er seine große Entdeckung am besten veröffentlichen, wie und wann er das alles den neidischen Kollegen präsentieren sollte.
Doch eines Tages stieß er in einer Zeitschrift auf eine kleine Notiz: In den USA herrsche ein regelrechter Melatonin-Boom. Westliche Wissenschaftler hätten entdeckt, dass das Hormon der Epiphyse eine stark verjüngende Wirkung auf den gesamten Organismus habe. Nun werde es massenhaft produziert und in jeder amerikanischen Apotheke verkauft. Die Notiz stand nicht in einer ausländischen Zeitschrift, nicht in einem Fachmagazin für einen engen Kreis von Spezialisten, sondern in einer populären sowjetischen Zeitschrift mit Millionenauflage, die von Hausfrauen gelesen wurde.
Melnik war lange fassungslos. Diese demütigende Niederlage betäubte ihn wie ein Knüppelhieb auf den Kopf. Bald erfuhr er, dass der Melatonin-Boom sich als Irrtum erwiesen hatte und auch dieses Jugendelixier nichts als Schaden anrichtete. Die Einnahme des Hormons in hohen Dosen zeitigte eine Menge lebensgefährlicher Nebenwirkungen. Das tröstete Melnik ein wenig. Ein Irrtum, ja, aber ein fremder. Nicht seiner. Er hatte recht daran getan, die Menschheit nicht vorschnell zu beglücken.
Ähnliches widerfuhr ihm noch mehrfach. Er arbeitete, suchte, fand, und im letzten Moment stellte sich heraus, dass auch dies bereits entdeckt worden war. So war es mit den Stammzellen und mit dem Programm des Zelltodes im Genom.
Ein anderer an seiner Stelle hätte längst resigniert, Ruhe gegeben, die täglichen acht Stunden in dem miserablen Institut friedlich abgesessen und sich mit der normalen Wissenschaftsroutine begnügt. Er nicht. Melnik konnte nicht auf seinen Kindertraum verzichten, den er tief im Inneren nicht mehr als Traum betrachtete, sondern als seine Bestimmung, seine Mission.
Diese großen Worte hätte er nie ausgesprochen, das war ein Tabu, wie die Namen mächtiger Götter bei den alten Völkern. Doch er zweifelte nie an der Richtigkeit seines Weges.
Die gründliche Erforschung der Epiphyse erwies sich als keineswegs sinnlos. Das Wunder war doch geschehen. Das im Zentrum des Gehirns verborgene »dritte Auge« hatte ihm zugezwinkert, hatte einen Funken des geheimen Feuers aufblitzen lassen.
Unter den Namen der Wissenschaftler, die irgendwie mit der Erforschung der Zirbeldrüse zu tun hatten, war der Name von Professor Sweschnikow aufgetaucht. Melnik hatte ihn sofort herausgefiltert. Überall, wo Sweschnikows kurze Biographie angeführt wurde, stand, er sei 1863 in Moskau geboren. Das Datum seines Todes aber fehlte entweder völlig oder wurde ganz unterschiedlich angegeben, von 1922 bis 1951, mit einem Fragezeichen in Klammern. Auch die genannten Orte waren verschieden und geografisch weit gestreut: Moskau, Leningrad, Wudu-Schambalsk, Helsinki, Workuta, Berlin, Nizza.
Nun verbrachte Melnik seine gesamte Freizeit in Bibliotheken und Archiven. Die Informationen waren dürftig, lückenhaft und widersprüchlich. Den Chirurgen Sweschnikow kannte jeder Medizinstudent. Vom Biologen Sweschnikow hatte kaum jemand gehört. Die medizinische Bibliothek besaß einige zerfledderte vorrevolutionäre Exemplare seiner Lehrbücher zur Histologie und zur Blutbildung, doch die dazugehörigen Karteikarten waren leer. Die Bücher waren viele Jahre nicht ausgeliehen worden.
Melnik ging oft in ein kleines Antiquariat für medizinische Literatur, die Buchhändler dort kannten ihn schon und grüßten ihn freundlich. Eines Tages, als er in staubigen Stapeln alter Zeitschriftenjahrgänge wühlte, hörte er sie
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