Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Daschkowa
Vom Netzwerk:
miteinander flüstern.
    »Vielleicht sollten wir ihm die Telefonnummer von Fjodor Fjodorowitsch geben?«
    »Lieber nicht. Wir müssen ihn erst anrufen und um Erlaubnis fragen.«
    »Ich bin sicher, er erlaubt es und wird sich freuen.«
    Melnik zuckte zusammen, sein Herz machte einen Satz. Er drängte nicht, blieb aber im Laden, bis er einen Zettel mit der Telefonnummer bekommen hatte und die Erklärung, Fjodor Fjodorowitsch sei ein sehr netter, gebildeter alter Herr, Medizinprofessor. Seine Beine seien gelähmt. Hin und wieder werde er mit dem Auto hergebracht, doch meist bestelle er Bücher per Telefon und sein Chauffeur hole sie dann ab.
    »Er und Sie sind die Einzigen, die sich für Sweschnikow interessieren«, sagte die Antiquarin, »Sie müssen ihn unbedingt kennenlernen.«
    Das war 1998. Viele einst verschlossene Archive waren bereits zugänglich, dann kam das Internet dazu.
    Nun gab es genug Informationen. Zum Weitermachen fehlte es Melnik nur an Geld. Er musste sich ein ganz neues, fremdes und ihm, dem großen Wissenschaftler, höchst unangenehmes Betätigungsfeld aneignen: Die Suche nach Sponsoren.
    Doch aus dem anfänglichen Widerwillen dagegen wurde bald Routine, und allmählich fand er sogar Geschmack daran. Er war seinem großen Ziel so nahe, dass es ihm den Atem nahm und er kein Mittel verschmähte. Er erniedrigte sich. Er opferte seinen Ruf als Wissenschaftler und seinen guten Namen, weil er fest daran glaubte, dass sich das alles sehr bald rentieren würde.
    Sein Studium der Alchemie hatte ihn nicht gelehrt, aus Blei Gold zu machen. Doch die Kunst, seine wahren Absichten zu verbergen, Dummköpfe einzuwickeln, zu lügen und Dinge zu vernebeln, diese Kunst beherrschte Melnik perfekt.
    Je mehr er erfuhr, desto abergläubischer hütete er das Geheimnis seiner künftigen Entdeckung. Ja, es war zweifellos seine Entdeckung, denn Sweschnikow war nur ein Zwischenglied gewesen. Das Wunder, das in seinem häuslichen Labor im Winter 1916 geschehen war, hatte sich nur in der Adresse, in Zeit und Raum geirrt, war durch ein böses Missverständnis in fremde Hände geraten und wartete nun auf seinen wahren Entdecker: Boris Iwanowitsch Melnik.
Moskau 1916
    Alle Zimmer in Chudolejs Wohnung in der Mjasnizkaja erinnerten an Mönchszellen, nur ohne Ikonen und Kruzifixe. Kahle Wände, schlichte, solide Möbel aus dunklem Holz, keine Teppiche, Sofas und Sessel. Ein paar Thonet-Stühle. Alter, blitzsauberer Parkettboden, Vorhänge aus festem, grobem Leinen. Kein einziger Spiegel, bis auf einen kleinen runden Rasierspiegel mit Vergrößerungsglas über dem Waschbecken im Bad.
    Der größte Raum diente als Arbeitszimmer. In der Ecke stand ein hässliches Stehpult. Daran las und schrieb Chudolej. Der einzige Schmuck waren ein Globus und eine Bronzefigur: ein Affe, der einen menschlichen Schädel in der Hand hielt. Die grob gezimmerten Bücherregale vom Boden bis zur Decke waren wie in einem Antiquariat voller Folianten. Bücher auf Französisch, Deutsch, Arabisch und Latein.
    Man konnte meinen, der Besitz des Hausherrn sei vor kurzem versteigert worden, um seine Schulden zu tilgen. Doch Chudolej machte nie Schulden. Er spielte nicht, Wein und Essen waren ihm gleichgültig. Er aß nur, um seinen Hunger zu stillen, egal, was. Alkohol trank er nur, wenn er ihn nicht ablehnen konnte. Seine einzige Schwäche waren noch immer dieFrauen, genauer, junge Mädchen. Er klärte sie auf, weihte sie ein, lehrte sie das unermüdliche geistige Opus magnum und die Suche nach Wegen zu geheimem uraltem Wissen.
    Sina, die schon lange kein Gymnasium mehr besuchte, hatte bei Chudolej die »dreistufige Segnung« durchlaufen. Die durfte eine Frau nur von einem Großmeister empfangen. Dieses magische Ritual war zwar geheim, doch worin es bestand und wie es vor sich ging, war unschwer zu erraten.
    In einer eisigen Dezembernacht wurde Fjodor Agapkin die Ehre zuteil, die Wohnung des Meisters in der Mjasnizkaja zu besuchen.
    Er hatte einen Vierundzwanzig-Stunden-Dienst im Lazarett gehabt und schlief. Wolodja, nass und zerzaust, weckte ihn.
    »Zieh dich an, schnell! Nimm deine Arzttasche mit!«
    »Wohin? Wozu? Was ist passiert?«, murmelte Agapkin, sich in den Kleidern verheddernd, die Wolodja ihm aufs Sofa geworfen hatte.
    »Erkläre ich dir unterwegs.«
    Vor der Haustür wartete eine Droschke. Der Wind heulte und wehte ihnen beißenden Schnee ins Gesicht, die Straßen waren dunkel und menschenleer. Sie stiegen ein, und der Kutscher fuhr sofort los,

Weitere Kostenlose Bücher