Bis in den Tod hinein
Jahren beim LKA Berlin. Er war Anfang dreißig, auch im Winter stets gut gebräunt und wirkte eher wie ein Fitnesscoach als wie ein Polizist. Im vergangenen Jahr hatte er seine langjährige Partnerin Suzi geheiratet und seitdem ein wenig an Gewicht zugelegt. Dennoch war der junge Kommissar, der einer von wenigen gebürtigen Berlinern im LKA war, das sportlichste Mitglied in der Abteilung Delikte am Menschen.
» Hör bloß auf«, wiegelte er ab, während er sein Tablett auf dem Tisch abstellte. » Ich würde am liebsten mit dir tauschen! Dieser Zickenfall geht mir ganz schön auf die Nerven. Das habe ich mir echt anders vorgestellt. Ich habe gedacht, ich ermittle auf Modenschauen und befrage ein Model nach dem anderen.«
» Die dich natürlich alle total sexy finden und dich fragen, ob du ihnen mal deine Kanone zeigst.«
» Und was mache ich tatsächlich? Ich gleiche Datenbanken ab und muss mich vor Journalisten rechtfertigen. Na, danke auch.«
Tanja van Beuten war ein international erfolgreiches Topmodel aus Berlin und Jurymitglied einer äußerst populären Castingshow für angehende Laufstegschönheiten. Vor etwas über einer Woche war sie spurlos verschwunden. Da es keinerlei Hinweise auf ein Verbrechen gab, war zunächst keine polizeiliche Suche eingeleitet worden. Weder hatten sich Kampfspuren gefunden, noch war eine Lösegeldforderung bei van Beutens Familie eingegangen. Erst der öffentliche Druck der Medien hatte die Staatsanwaltschaft schließlich dazu veranlasst, im Falle ihres Verschwindens Ermittlungen anzustellen.
» Hast du denn wenigstens an den Kandidatinnen ihrer Castingshow ein paar Leibesvisitationen durchgeführt?«, fragte Boesherz mit ersichtlich gespielter Sorge. » Nicht, dass dir da irgendwelche Fakten entgehen.«
Dennis lachte und nahm einen Schluck von seinem Malzbier.
» Also, für diese Fakten wären wohl eher die Kollegen vom Betrugsdezernat zuständig«, konterte er.
Boesherz sah nun mit Geringschätzung auf den Teller seines Kollegen. Der Kasselerbraten war so von Fett durchzogen, dass kaum Fleisch daran zu finden war, und die Kartoffeln schienen so hart zu sein, dass sein Kollege sie mit dem Messer würde zerkleinern müssen, damit sie wenigstens einen Teil der braunroten Fertigsoße aufnehmen konnten.
» Da gucke ich mir lieber eine Wasserleiche an als dieses Kantinenessen«, behauptete er verächtlich und erntete einen zustimmenden Blick. » Aber noch mal zu deinem Model: Denkst du, da ist überhaupt was passiert?«
Dennis schien in dieser Frage hin- und hergerissen zu sein. » Lass es mich so sagen: Ich habe keinen Hinweis darauf, dass es ein Verbrechen gibt. Wäre sie nicht so prominent, würden wir überhaupt nicht ermitteln.«
Boesherz sah beiläufig in seinen Kaffeebecher, obwohl er genau wusste, dass dieser leer war. Dann griff er nach seinem Schokoladenpudding, der das Einzige war, das er an der Essensausgabe gewählt hatte. Er warf sich zunächst seine Krawatte über die Schulter und probierte dann vorsichtig einen Löffel von dem Dessert. Mit vollem Mund antwortete er schließlich: » Du solltest das mal positiv sehen. Sobald Tanja van Beuten wieder aufgetaucht ist, darfst du sie nach Herzenslust zu Befragungen in dein Büro einladen.«
» Wenn ich das mal will.«
» Du hast recht. Ist die nicht so eine Knallharte, die mit den Mädchen redet, als seien sie auf einem Kasernenhof?«
Während Boesherz das sagte, bemerkte Dennis dessen überraschten Blick. Er schmunzelte, während er ein Stück von seinem Kasselerbraten abschnitt.
» Der Pudding ist tatsächlich das Einzige, was hier wirklich schmeckt«, stellte er fest. » Sag mal, könnte van Beuten denn nicht auch ein Opfer deines Serienmörders sein?«
Boesherz hatte sich längst mit dieser Frage auseinandergesetzt.
» Nein«, antwortete er daher. » Erstens hat Jack bisher noch keine Frau getötet. Schwaches Argument, zugegeben. Zweitens, im Zusammenhang mit Tanjas Verschwinden ist bisher keine Zahl aufgetaucht. Schon ein besseres Argument. Drittens– und jetzt kommt das Hauptargument: Es gibt keine Leiche! Jack hat es eilig. Er fackelt nicht lange, hinterlässt entstellte Opfer, und das, was er ihnen antut, tut er ihnen öffentlich an.« Boesherz stellte sein Puddingschälchen wieder auf dem Tisch ab. » Nein, mit deinem Model hat es etwas anderes auf sich. Ob sie einen Stalker hatte, hast du als Erstes überprüft, oder?«
» Ja, das hätte nämlich auch erklärt, warum es keine Lösegeldforderung
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