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Bis in den Tod hinein

Bis in den Tod hinein

Titel: Bis in den Tod hinein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincent Kliesch
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jeder Kontakt ihrer Wunden mit den Stricken seit Tagen verursachte, waren so allgegenwärtig, dass Tanja sie fast schon nicht mehr wahrnahm.
    Van Beuten konnte sich nicht daran erinnern, wann und wo es passiert war. So oft sie auch versuchte, den Zeitpunkt und die Umstände ihrer Verschleppung zu rekonstruieren, so oft stieß sie dabei an die Grenzen ihres mit jeder Stunde weiter nachlassenden Verstandes. Etwas Stumpfes hatte sie gespürt. Vielleicht einen Schlag, so als habe sie jemand mit großer Wucht gerammt. Doch außer dem dröhnenden Schmerz war ihr nicht mehr viel in Erinnerung geblieben. Sie wusste nicht mehr genau, mit wem sie zuletzt gesprochen hatte oder an welchem Ort es genau passiert war. Mittlerweile war sie nicht einmal mehr sicher, ob sie überhaupt entführt worden war oder ob alles um sie herum lediglich das Produkt ihrer Einbildung sein mochte.
    Ist das alles nur ein Traum?
    » Vielleicht schon«, antwortete Muffin, das Nilpferd. Das knuddelige Stofftier saß am Stirnende des reich gedeckten Esstisches, direkt gegenüber seiner Besitzerin. » Aber was, wenn nicht? Gefällt es dir nicht bei uns?«
    » Ich bin mir nicht sicher«, erwiderte van Beuten.
    Muffin sprang von seinem Stuhl auf, hüpfte lachend auf den Tisch, schnappte sich einen Apfel und biss herzhaft hinein.
    » Das Erwachen ist oft schlimmer als der Traum, den man vorher hatte«, behauptete er.
    Tanja sah sich um. Nein, das alles konnte nicht real sein. Andererseits, welche Rolle spielte das mittlerweile überhaupt noch?
    » Muffin, sei bitte ehrlich zu mir«, bat sie ihr Lieblingskuscheltier, das sie seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte. » Werde ich aus diesem Traum wieder aufwachen?«
    Muffin ließ von seinem Apfel ab, putzte sich die Schnauze mit einer Serviette ab und setzte sich dann Tanja direkt gegenüber neben den Kerzenständer. Er legte den Kopf seitlich in den Nacken, wackelte lustig mit seinen kleinen Ohren und antwortete lausbübisch: » Das kann ich mir nicht vorstellen.«

11
    Severin Boesherz führte seine Nase an das Weinglas und inhalierte leicht, während von der Musikanlage Verdis La Traviata erklang.
    » Quercus«, schwärmte er mit einem Gesichtsausdruck, der Olivia Holzmann an einen frisch verliebten Teenager erinnerte. » Mein Lieblingswein, ein Spätburgunder aus dem Rheingau, in neuen Eichenholzfässern gereift. Vom Weingut Allendorf, das waren praktisch meine Nachbarn.« Boesherz roch ein weiteres Mal an dem guten Tropfen und erzählte Olivia dann: » Dieser Wein hilft mir beim Denken. Na ja, zumindest ein paar Gläser davon. Ab der zweiten Flasche behindert er den Denkprozess dann eher.«
    Severin hatte seine Kollegin zum ersten Mal zu sich nach Hause eingeladen. Er plante schon seit Wochen, sich einmal privat mit Olivia zu treffen, doch erst jetzt war seine neue Wohnung vollständig eingerichtet, und die Umzugskartons hatte er entsorgt.
    » Die Trauben wachsen auf dem Oestricher Klosterberg. Oestrich-Winkel, das ist die Stadt, aus der ich komme. Liegt direkt am Rhein. Traumhaft!«
    Dann reichte er Olivia ebenfalls ein Glas des Rotweins, den er zuvor zwei Stunden lang in einem Dekanter hatte atmen lassen. So hatte er seine Aromen von Kirschen, Brombeeren, Vanille und Holunder voll entfalten können.
    » Quercus? Ein seltsamer Name für einen Wein«, stellte Olivia fest und roch ebenfalls daran.
    » Das ist Latein, steht für Eiche. Wegen der Eichenfässer, in denen er reift.«
    Olivia lehnte sich entspannt auf der grauen Stoffcouch zurück und ließ ihren Blick durch das Wohnzimmer wandern. » Also, das muss man dir lassen«, sagte sie anerkennend. » Du hast Geschmack.«
    » Ich verstehe nicht, warum so viele keinen haben«, hielt Boesherz entgegen. » Wenn wir Leichen in Wohnungen finden, sind das Schlimmste– vielleicht mal abgesehen von den Toten– doch wohl meist ihre hässlichen Couchtische, oder nicht?«
    Die Maisonette im ruhigen Berliner Stadtteil Schlachtensee war durchgehend mit hellem Parkett ausgelegt, sämtliche Möbel stammten einheitlich aus derselben Designlinie, und alles, was in den Regalen, auf dem Lowboard oder auf der Fensterbank zu sehen war, diente ausschließlich der Dekoration. Es gab nichts Buntes in der Wohnung, lediglich kleine Accessoires in Gold setzten vereinzelte Farbakzente. Olivia fiel auf, dass in Severins Wohnung absolut nichts den Eindruck vermittelte, als wohne dort tatsächlich jemand. Alles erinnerte in seiner zielstrebig durchgeplanten Ordnung an Seiten aus

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