Bis in den Tod hinein
gibt«, antwortete Dennis. » Sie hat eine Menge Fans, aber von einem klassischen Stalker weiß keiner was.«
Boesherz überlegte, wie er seinem Kollegen weiterhelfen konnte.
» Trotzdem solltest du die Idee nicht aufgeben, dass jemand diese schöne Frau nur entführt hat, damit sie ständig bei ihm ist. Ich habe eine Idee, interessiert sie dich?«
Dennis’ Gesichtsausdruck war Antwort genug.
» Wenn es wirklich eine Entführung war, dann muss der Täter sie vorher genau studiert haben. In ihr Haus kommt er nicht rein, also müsste er sie in der Öffentlichkeit entführen. Aber ein so bekanntes Model hat ständig irgendwen um sich herum. Sie wird dauernd fotografiert, und überall folgen ihr Kameras. Wer so eine Frau entführen will, muss einen wirklich guten Zeitpunkt abpassen. Und das erfordert Planung. Wo könnte er ihr nahe gekommen sein?«
» Du meinst, es muss eine Schnittstelle zwischen ihr und ihren Fans gegeben haben?«
» Sehr gut«, lobte Boesherz seinen Kollegen. » Die Finalrunden ihrer Castingshow sind allesamt vor Publikum in Adlershof produziert worden, die Karten dafür konnte jeder kaufen. So könnte ein späterer Entführer van Beuten ganz nahe gekommen sein. Und jetzt wird es interessant: Wer sich als Zuschauer in so eine Sendung setzt, muss vorher schriftlich erklären, dass er damit einverstanden ist, später im Fernsehen zu sehen zu sein. Lass dir diese Erklärungen doch mal von der Produktionsfirma zeigen.«
Dennis fand den Vorschlag durchaus interessant.
» Ich soll nach Menschen suchen, die mehrmals im Publikum gesessen haben?«
» Was, wenn ein alleinstehender, vorbestrafter Sexualstraftäter zehnmal bei den Aufzeichnungen dabei war? Den solltest du doch dann unbedingt mal in seiner Laube besuchen gehen, oder etwa nicht?«
Dennis gefiel der Vorschlag.
» Einen Versuch ist es allemal wert. Ich bin nämlich, ehrlich gesagt, froh über alles, was ich überhaupt noch ermitteln kann«, gestand er. » Ich habe jeden Stein im Leben dieser Frau umgedreht. Sie ist weg, keiner hat was gesehen, keiner ist verdächtig. Warum bekomme gerade ich so einen undankbaren Fall?«
» Na ja, ohne deinen Julius traut dir Castella wohl nicht allzu viel zu«, zog Boesherz Dennis auf. » Keine Angst, wenn Kern wieder zurück ist, darfst du auch wieder Serienmörder jagen. Aber nicht meinen! Der beginnt mir nämlich langsam ans Herz zu wachsen.«
Tatsächlich hatte Dennis seine bislang größten Ermittlungserfolge an der Seite seines Freundes Julius Kern erzielt. Dennoch, dass Castella ihm den Fall des verschwundenen Models anvertraut hatte, war alles andere als eine Zurückstufung.
» Sag mal, Severin, kannst du nicht meinen Fall einfach noch für mich mit lösen? Dann könnte ich mich in der Zeit zum Koch umschulen lassen und hier mal für gutes Essen sorgen.«
Boesherz griff wieder nach seinem Puddingschälchen und schüttelte entschieden den Kopf.
» Lass mal, gutes Essen passt einfach nicht zu Berlin, da solltet ihr hier gar nicht mit anfangen. Außerdem, diese Castingshows gehen mir schon lange auf die Nerven. Von mir aus kannst du dir noch ein bisschen Zeit damit lassen, die Gute zu finden.«
10
Auf dem Dachboden war es so kalt, dass Tanja van Beuten ihren Atem sehen konnte. Die schmale Dachluke, durch die man im Sommer auf ein Waldstück hinausblicken konnte, war über und über mit Eisblumen bedeckt, das Grün der Bäume war einer dichten Schneedecke gewichen. Tanja machte sich allerdings über ganz andere Dinge Gedanken. Obwohl ein kleiner, eifrig brummender Heizlüfter neben ihrem Stuhl aufgestellt war, ließen die Temperaturen das Model unaufhörlich zittern und lautstark mit den Zähnen klappern. Von der Schönheit und der Anmut, die van Beuten in ihrem Beruf ausstrahlte, war dort oben, in der Einsamkeit ihres frostigen Verstecks, nichts zu sehen.
Mein Schädel tut so weh, verdammt, er platzt gleich.
Dass der kleine Heizlüfter die Luft noch trockener machte, als sie ohnehin schon war, vergegenwärtigte sich das Model nicht. Sie wäre sich der fatalen Konsequenzen dessen ohnehin nicht bewusst gewesen.
Ein weiteres Mal betrachtete sie die Fesseln, die sie an einen hölzernen Küchenstuhl schnürten. Ihre Handgelenke waren durch die Reibung der Naturfasern bereits blutig gescheuert, und ihre bloßen Beine waren mit einem komplexen Knotengebilde fixiert, das um alle vier Stuhlbeine gewunden war und ihre Knöchel dadurch so fest wie möglich an das Möbelstück band. Die Schmerzen, die
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