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Bis in den Tod hinein

Bis in den Tod hinein

Titel: Bis in den Tod hinein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincent Kliesch
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seinem Jagdmesser abgetrennt. Er hätte die Zahl Zwei in das herausgeschnittene Fleisch geritzt, Fotos gemacht und Jurek dann zurückgelassen. Blutung, Kälte und Schockwirkung hätten vermutlich ihr Übriges getan.
    Kai Jurek hatte zwischenzeitlich die Anlage mit den Bänken erreicht, von denen aus man auf einen kleinen Teich sehen konnte. Im Sommer war dieser Ort bei den Anwohnern sehr beliebt, im Winter dagegen menschenleer.
    Was kann er denn hier wollen?
    Anselm hatte Kai Jurek mit derselben peniblen Gründlichkeit ausgekundschaftet, wie er es auch bei dessen Vorgängern getan hatte. Die beiden letzten Wochen, die sein Vater im Krankenhaus zugebracht hatte, waren dafür vollkommen ausreichend gewesen. Für jeden Punkt auf seiner Liste hatte Anselm einen würdigen Vertreter ausfindig gemacht und eine jeweils individuelle Lektion entwickelt. Allein die Grausamkeit, mit der er vorgehen musste, widerstrebte Anselm. Andererseits sah er aber auch ein, dass es nun mal nicht möglich war, sein großes Ziel zu erreichen, ohne sich dabei die Finger schmutzig zu machen.
    Ihr werdet es mir noch danken.
    Die Mülleimer neben den zugeschneiten Parkbänken waren schmutzig und mit Schriftzügen beschmiert. Auch eine der Laternen war ausgefallen, was Anselms Unbehagen in dem ohnehin schon viel zu dunklen Park noch verstärkte. Wo immer er hinsah– Unordnung, Respektlosigkeit und Auflehnung waren in seinen unerbittlichen Augen überall zu finden. Fast sein ganzes Leben lang kämpfte Drexler nun bereits gegen Anarchie und Verfall an, wo immer er darauf zu stoßen glaubte. Doch je mehr er sich im Laufe der Jahrzehnte in seine Vorstellungen von Reinheit und Perfektion hineingesteigert hatte, umso unerreichbarer schienen sie ihm geworden zu sein.
    Plötzlich, ohne dass ein Grund dafür ersichtlich war, blieb Kai Jurek stehen.
    Hat er mich bemerkt?
    Anselm war seinem Vordermann im Gleichschritt und mit ausreichend großem Abstand gefolgt. Jurek hatte sich einen dicken Schal um den Hals gewickelt und trug zudem eine tief ins Gesicht gezogene Wollmütze. Es war eher unwahrscheinlich, dass ihm sein Verfolger unter diesen Umständen aufgefallen war. Tatsächlich drehte Jurek sich nicht um. Er stand einfach nur da, bevor er schließlich begann, irgendetwas in seiner Tasche zu suchen. Anselm erkannte, dass es nun an der Zeit war, eine Entscheidung zu treffen. Ein letztes Mal zog er es in Betracht, den Zugriff abzubrechen, doch er erkannte, dass sein strenger Zeitplan ihm eine derart gravierende Änderung einfach nicht erlaubte.
    Also dann, entschied Drexler schweren Herzens und griff in seine Tasche, um den Elektroschocker hervorzuziehen.
    Dann wippte er noch dreimal mit seinem Oberkörper nach vorn und ging ebenso nervös wie entschlossen auf Jurek zu, der nun die Schritte hinter sich bemerkte und sich intuitiv umdrehte.
    » Wow, haben Sie mich erschreckt«, entfuhr es Jurek, der kurz zusammengezuckt war.
    Erst in diesem Augenblick schoss Anselm ein Gedanke durch den Kopf, der ihm bis jetzt noch gar nicht gekommen war: Was ist eigentlich, wenn er sich hier mit jemandem verabredet hat? Dann käme jeden Augenblick ein Zeuge um die Ecke …
    Anselm konnte vor Aufregung sein Herz förmlich schlagen hören. Er sollte, so überlegte er, wohl doch besser wieder zu seinem Wagen gehen und abwarten, ob Jurek nicht vielleicht kurze Zeit später wieder allein zu seiner Wohnung zurücklaufen würde.
    Doch alles kam anders. In ebender Sekunde, in der Anselm sich unter einem Vorwand abwenden wollte, glitt er auf dem vereisten Boden aus, verlor das Gleichgewicht, und noch ehe er sich fangen konnte, schlug er unsanft auf.
    » Warten Sie, ich helfe Ihnen!«, rief Kai Jurek und beugte sich zu Anselm hinunter. » Sind Sie verletzt?«
    » Alles in Ordnung«, erhielt er zur Antwort, obwohl sich Anselm dessen noch gar nicht sicher war.
    Der Aufprall auf dem Hinterkopf war hart gewesen, für den Bruchteil einer Sekunde war Drexler sogar schwarz vor Augen geworden.
    » Ich ziehe Sie hoch«, bot Jurek an und streckte dem vor ihm liegenden Fremden seine Hand entgegen.
    Anselm, dem die Tatsache, dass er auf einem schmutzigen Boden lag, deutlich mehr zusetzte als der Sturz selbst, griff nach Jureks Hand und ließ sich dann so weit nach oben ziehen, dass er zunächst aufrecht saß. Nun konnte er auf die Knie gehen und sich vorsichtig wieder erheben. Der Schmutz und der Schnee auf seiner Kleidung waren für Anselm fast unerträglich, allein das Adrenalin in seinem Blut

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