Bis in den Tod hinein
kommst du denn darauf?«, wollte jetzt Bartholy wissen.
» Warum hätte er Olivia sonst die Tür geöffnet, obwohl sie gar nicht geklingelt hat?«, gab Boesherz zu bedenken. » Jack ist sehr gut vorbereitet und hatte die Möglichkeit, dass er gestört werden könnte, einkalkuliert. Das bringt uns zu der Frage, warum er dir die Tür geöffnet hat, anstatt einfach zu verschwinden. Mit seiner Nummer drei war er ja zu dem Zeitpunkt schon fertig.«
» Wenn er schon mit Moldenhauer fertig gewesen wäre, dann wäre der Junge jetzt tot, oder nicht?«, widersprach Olivia.
» Denken geht vor fragen«, entgegnete Boesherz und kontrollierte dabei, wie stark das Leder seiner italienischen Schuhe vom Schnee nass geworden war.
Sowohl Olivia als auch Linda nahmen die Herausforderung an und überlegten, was Boesherz ihnen zu verstehen geben wollte. Schließlich war es Bartholy, die das Wort zuerst ergriff.
» Moldenhauer hat erzählt, dass Jack eine Maske getragen hat. Warum sollte sich ein Killer maskieren, wenn er sein Opfer sowieso töten will? Zu dem Zeitpunkt waren die beiden ja schließlich allein miteinander.«
» Sehr gut, jetzt du«, gab Boesherz das Wort an Olivia weiter.
» Okay, es gab keine Folterinstrumente in der Wohnung, die das Opfer zwangsläufig getötet hätten«, schlussfolgerte sie. » Die ganze Inszenierung war allein darauf abgestimmt, die Arme des Opfers zu erfrieren. Das scheint mir nicht zwangsläufig eine tödliche Verletzung zu sein.«
» Nicht bei einem so jungen Mann«, bestätigte Boesherz und wandte sich dann beiden Frauen gleichermaßen zu, als er erklärte: » Wie immer ist der logischste Gedanke aber der, auf den einfach keiner kommen will: Die Symbolik hinter der Drei sind die amputierten Arme. Welcher Arzt würde sich wohl die Mühe machen, einem Toten noch die Arme abzusägen?«
Olivia schloss für einen Moment erschöpft die Augen. Die wichtigste Information hatte sie ihrem Kollegen bislang noch vorenthalten, und sie war auch noch unschlüssig, wie sie ihm die am besten vermitteln konnte.
» Dann wissen wir jetzt auch endlich, warum Jack mit seinen Zahlen von Anfang an nicht chronologisch vorgegangen ist«, behauptete Linda dann. » Wenn er nie vorhatte, Moldenhauer zu töten, dann musste er davon ausgehen, dass der Junge die Polizei hinterher auf seine Spur bringen konnte. Deswegen hat er mit ihm bis fast zum Schluss gewartet. Wir haben mittlerweile die Opfer zwei bis sieben. Es fehlt also nur noch die Eins.«
» Es fehlt nur noch die Eins?«, hakte Boesherz verwundert nach.
» Die Symbolik der Sieben ist doch geradezu klassisch«, antwortete Bartholy. » Die sieben Todsünden, die sieben Weltwunder, die Erschaffung der Welt in sieben Tagen– das kann man ewig fortsetzen. Ich glaube, Jack hat eine Liste mit seinen persönlichen sieben Todsünden aufgestellt, und weil die erste davon vermutlich auch gleichzeitig die wichtigste für ihn ist, hat er sie sich bis zum Ende aufgehoben.«
Während Olivia zustimmend nickte, schüttelte Boesherz nur den Kopf wie ein Lehrer, der von der Leistung seiner Schülerin enttäuscht war.
» Abgesehen davon, dass deine Theorie von der mystischen Sieben reine Spekulation ist, kann ich auch dem Argument nicht zustimmen, dass Moldenhauer erst so spät an der Reihe war, weil er überleben sollte. Der Franzose hat schließlich auch noch gelebt, als man ihn gefunden hat. Der Sozialschmarotzer hätte es theoretisch ans rettende Ufer schaffen können, und was, wenn unser Kletteraffe an der Hausfassade bis nach unten gekommen wäre? Meine Damen– Jack hat von Anfang an nicht erwartet, dass alle seine Opfer sterben würden! Dass Moldenhauer noch lebt, gibt uns also keinen Anlass zu derartigen Vermutungen. Und jetzt zu dir, liebe Olivia.«
Damit zog Boesherz einen Stuhl an das Krankenbett heran und setzte sich zu seiner Kollegin. Mit einem freundlichen Blick wandte er sich dann Linda Bartholy zu.
» Lässt du uns bitte kurz allein?«
Bartholy war zwar verwundert, zögerte aber dennoch keine Sekunde, den Raum zu verlassen.
» Ihr seid per du?«, war das Erste, was Olivia fragte, während dabei ein Strahlen über ihr Gesicht huschte.
» Musical, Rotwein, Abendessen, lange Geschichte«, kürzte Boesherz lapidar ab und kam dann schnörkellos auf den Grund zu sprechen, aus dem er Linda vor die Tür gebeten hatte. » Was hat Jack dir ausgerichtet?«
» Woher weißt du denn von der Nachricht?«, wunderte sich Olivia.
» Das ist doch klar: Er hätte dir
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