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Bis in den Tod hinein

Bis in den Tod hinein

Titel: Bis in den Tod hinein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincent Kliesch
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Donnerhall wurde alles in Stücke gerissen! Die Tommys haben wie die Bekloppten mit ihrem Panzer und ihren Maschinengewehren von innen durch das Tor gefeuert. Meinen Kameraden hat es sofort erwischt! Ich wollte nur weglaufen, aber mein Kommandant hat mich gepackt und auf den Boden gezerrt, und ich habe ihn angebrüllt: Du Arschloch! Du dumme Sau!«
    Anselm bemerkte, dass sein Vater jetzt ein Bein von dem Hocker nahm, das andere aber darauf liegen ließ. Gern hätte er die so entstandene Asymmetrie thematisiert, aber nicht an dieser Stelle der Geschichte.
    » Meine vier Kameraden hinter dem Busch sind ganz ruhig auf ihren Positionen geblieben, die hatten aber auch nur ihre Gewehre zur Verteidigung. Ich hatte noch eine Panzerfaust! Als die Tommys dann aus der Scheune gekommen sind, haben wir gesehen, dass zwei Mann mit Maschinengewehren neben dem Panzer hergegangen sind. Wie viele in dem Panzer gesessen haben, wussten wir natürlich nicht. Wir haben dann wie blöd auf die Männer gefeuert, und ich habe die Panzerfaust angesetzt. Die beiden neben dem Panzer sind zu Boden gegangen, die hatte mein Kommandant erwischt. Und ich habe auf den Panzer geschossen. Volltreffer!«
    Manchmal schwappte an dieser Stelle etwas von dem Weinbrand aus Paul Drexlers Glas auf dessen Hose, wenn er sich besonders in seine Erinnerung hineinsteigerte. An diesem Abend war dies aber nicht geschehen, was Anselm etwas beruhigte.
    » Und ich sehe es noch wie heute, dass dieser Mann mit entsetztem Blick aus seinem Panzer rauskommt. Ich wollte auf ihn schießen, aber mein Kommandant hat mich zurückgehalten. Und der Engländer kam einfach auf mich zu, sank vor mir nieder und sagte nur: I’m wounded! Das werde ich nie vergessen.«
    Paul Drexler legte eine kurze Pause ein, um einen Schluck zu trinken. Dann fuhr er in ruhigerem Ton fort: » Erst in dem Moment ist uns aufgefallen, dass meine vier Kameraden, die hinter dem Gebüsch in Deckung waren, immer noch dalagen wie vorher. Und als wir zu ihnen rüber sind, haben wir gesehen, dass jeder von ihnen einen saubereren Kopfschuss hatte. Die Tommys hatten einen Scharfschützen auf dem Scheunenboden postiert, der uns hinter der Mauer nicht erwischen konnte. Aber die Jungs im Gebüsch hat er alle vier abgeschossen. Fein säuberlich, nacheinander.«
    » Auf dem Baum«, korrigierte Anselm seinen Vater.
    » Welcher Baum?«
    » Der Scharfschütze saß in einem Baum, nicht auf dem Scheunenboden. Er hat noch nie auf dem Scheunenboden gesessen. Und der Tommy hat auch nicht einfach gesagt: I’m wounded, sondern: Oh, I’m wounded.«
    Paul Drexler hatte seinem Sohn diese Geschichte in den vergangenen Jahrzehnten bestimmt hundertmal erzählt, ohne sich selbst darüber im Klaren zu sein. Wieder und wieder hatte er die immer gleichen Formulierungen und Betonungen gewählt. Immer hatte er exakt dieselben Pausen gesetzt und die Stimme des englischen Soldaten, von dem er stets noch anfügte, dass er nie wieder etwas von ihm gehört habe, auf die immer gleiche Weise imitiert. Noch nie hatte es auch nur eine kleine Abweichung in der Geschichte gegeben, was mithin auch das Einzige war, was Anselm an dieser Kriegserinnerung seines Vaters schätzte.
    » Ich weiß nicht…«, stotterte Paul daraufhin, und erst jetzt bemerkte Anselm, dass der Mundwinkel seines Vaters nach unten hing und, was ihm wesentlich schlimmer erschien, Speichel an dessen Kinn hinablief.
    Ohne erkennbare emotionale Regung erhob sich Anselm daraufhin, ging zum Telefon hinüber und wählte die Nummer des Notrufs.
    » Mein Vater hat gerade einen Schlaganfall«, konstatierte er nüchtern und gab seine Adresse durch.
    Noch vor Ort hatten die Rettungsmediziner eine Computertomografie und eine Blutanalyse durchgeführt, die Anselms Befürchtung eines Schlaganfalls bestätigte. Unverzüglich wurde mittels einer Lysetherapie versucht, das Blutgerinnsel durch die intravenöse Gabe eines speziellen Medikaments aufzulösen. Nachdem dies nicht gelungen war, hatte sich auf der neurologischen Intensivstation schließlich herausgestellt, dass Paul Drexler einen irreparablen Hirnstamminfarkt erlitten hatte.
    » Hören Sie das?«, fragte Schwester Cecilia ihren Patienten nun, als sie Geräusche an der Haustür wahrnahm. » Ich glaube, er ist da.«
    Paul Drexler starrte wie immer nur regungslos in den Raum hinein.
    » Ihr Sohn kommt nach Hause«, beruhigte ihn Cecilia. » Jetzt ist alles wieder gut.«

53
    Anselms Atem ging schwer, nachdem er vor seinem Eintreffen das Areal

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