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Bis in den Tod hinein

Bis in den Tod hinein

Titel: Bis in den Tod hinein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincent Kliesch
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als er die grüne Patronenhülse in der Hand gehalten hatte.
    Die Arie Die drei Rätsel aus dem zweiten Bild der Puccini-Oper setzte ein. Boesherz verband eine einzigartige persönliche Erinnerung damit.
    » Was kriecht am Boden, fliegt gen Himmel, was tappt im Dunklen, zündet Lichter, wühlt im Vergangenen, strebt in die Zukunft, weilt im Gewohnten, regt sich im Neuen, was ist besonnen und bäumt sich trotzig, gesund ergeben und krankhaft protzig?«, sang die Sopranistin, wenn auch auf dieser Aufnahme mit dem italienischen Originaltext. Jahrzehnte zuvor hatte der damals noch kleine Severin sein Bett verlassen, um zu seinen Eltern ins Wohnzimmer zu gehen. Er hatte nicht einschlafen können. Der Junge war damals vier Jahre alt gewesen, und sowohl sein Vater als auch seine Mutter liebten die großen italienischen Opern, die sie sich am Abend gern gemeinsam anhörten. Der kleine Severin hatte meist schon geschlafen, wenn seine Eltern die Schallplatten abspielten, deswegen hatte er die Arie, die seine Eltern damals in der deutschen Fassung aufgelegt hatten, zuvor noch nie gehört.
    » Der Verstand«, hatte er gesagt, sich mit dem Kopf auf den Schoß seiner Mutter gelegt und war Sekunden später eingeschlafen.
    Seine Eltern blieben sprachlos zurück. Ihr Kind hatte das Rätsel aus der Opernarie, ohne auch nur eine Sekunde lang darüber nachdenken zu müssen, gelöst.
    Der Pudding ist tatsächlich das Einzige, was hier wirklich schmeckt. – Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie meine Anwesenheit als störend empfinden. Schließlich könnten Sie das ja als eine Herabsetzung in den Augen von Frau Castella sehen. – Wir suchen also einen Akademiker mit Wohnsitz in Berlin, der eine Taxilizenz hat oder hatte und der in einem Beruf tätig ist, in dem er Regeln befolgt oder sie durchsetzt. – Die P 38 wurde aber auch noch lange nach dem Krieg gebaut.
    Der Quercus gab immer wieder neue Aromen frei, als Boesherz einen kleinen Schluck davon über seine Zunge rollen ließ. Noch einmal kam das Spiel der Duftwahrnehmungen durch seinen Rachenraum zurück, als er nach dem Hinunterschlucken ausatmete, dann erst brachte sich die Musik wieder in den Vordergrund seiner Sinne. So verging die Zeit, und obwohl Severin es selbst nicht steuern konnte, begannen sich die Eindrücke, die Musik und Quercus zu ihm zu tragen schienen, allmählich zu immer klareren Bildern zusammenzufügen. Boesherz spürte, dass der Augenblick näher rückte, in dem schon eine einzige Erinnerung, ein einziger kleiner Eindruck dazu führen konnte, das Kartenhaus, das er errichtet hatte, entweder zu vollenden oder zum Einsturz zu bringen.
    Nessun dorma, kam es ihm plötzlich in den Sinn.
    Ohne auf die Fernbedienung sehen zu müssen, betätigte er den Knopf, mit dem er die CD an die Stelle brachte, an der die bekannteste Arie der Oper, wenn nicht gar eine der bekanntesten Opernarien überhaupt, gespeichert war. Die Musik ertönte in vollem Klang, und noch bevor sie beendet war, lächelte der Kommissar schließlich zufrieden. Mit dem letzten Ton stellte er sein Weinglas ab, schaltete die CD aus, aktivierte für ein einziges Telefonat sein Handy und wählte eine Nummer.
    » Severin, was gibt’s denn?«, wurde er begrüßt.
    » Ich benötige eine Adresse«, gab der Kommissar zur Antwort.
    Er erklärte seinem Gesprächspartner, welcher Quelle er die gewünschte Information entnehmen solle.
    » Okay, und wen suchst du?«
    Boesherz lächelte fast schon, als er antwortete: » Anselm Drexler.«
    Und nachdem er dessen Anschrift notiert hatte, fügte er noch hinzu: » Dieses Gespräch hat so lange nicht stattgefunden, bis ich mich wieder bei dir melde. Und jetzt entschuldige mich, ich werde erwartet.«

51
    » Ich kann Ihnen dazu nicht mehr sagen, bitte bleiben Sie jetzt erst mal bei Oberkommissarin Beer, sie wird Ihre Hilfe möglicherweise brauchen«, beantwortete Castella die telefonische Nachfrage von Linda Bartholy.
    Ebenso wie der Rest der Sonderkommission hatte auch sie keine Informationen darüber erhalten, wo sich Boesherz befand und was er vorhatte. Immerhin, mit einer privaten, wenn auch wenig aussagekräftigen SMS hatte Severin sich bei ihr dafür entschuldigt, dass er vorübergehend jeden Kontakt zur Außenwelt abbrechen würde.
    » Macht er so was oft?«, erkundigte sich Bartholy bei Judith Beer, der die lange Nacht, die hinter ihr lag, deutlich ins Gesicht geschrieben stand.
    » Ich glaube nicht, dass irgendjemand so genau weiß, was er wann und aus welchen

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