Bis in den Tod
vornherein schon feststand, war sie dann, indem sie nach New York gekommen war, indem sie sich aus der Dunkelheit hervorgekämpft und einen anständigen Menschen aus sich gemacht hatte, eventuell nur ihrem genetischen Wegweiser gefolgt? Setzte sie ihren ureigenen Code vielleicht lediglich vorübergehend außer Kraft, indem sie die Erinnerungen an die ersten Jahre ihres Lebens, die unregelmäßig in schattigen Bruchstücken in ihren Träumen aufstiegen, so gut es ging verdrängte?
Und könnte dieser Code jederzeit wieder einsetzen und sie zu einem Spiegelbild des Monsters machen, das ihr eigener Vater gewesen war?
Von anderen Verwandten war ihr nichts bekannt. Sie hatte keine Ahnung, wer ihre Mutter war. Falls sie Geschwister, Tanten, Onkel oder Großeltern besaß, waren sie alle verloren in einem tiefen, dunklen Loch. Sie konnte ihren genetischen Code auf niemanden zurückführen als auf den grauenhaften Mann, der sie während ihrer Kindheit geschlagen und vergewaltigt hatte, bis sie aus Schmerz und Panik endlich zurückgeschlagen hatte.
Und zur Mörderin geworden war.
Seit sie ein kleines, achtjähriges Kind gewesen war, klebte Blut an ihren Händen. War dies vielleicht der Grund, weshalb sie ausgerechnet ein Cop geworden war? Versuchte sie beständig, sich dieses Blutes durch die Anwendung von Regeln und Gesetzen und dessen, was einige nach wie vor Recht und Ordnung nannten, zu entledigen?
»Madam? Dallas?« Als Eve erschreckt zusammenfuhr, legte ihr Peabody eine Hand auf die Schulter. »Tut mir Leid. Alles in Ordnung?«
»Nein.« Eve presste ihre Finger vor die Augen. Das Gespräch während des Nachtischs hatte sie offensichtlich ziemlich aus dem Gleichgewicht gebracht. »Ich habe Kopfschmerzen.«
»Ich habe Schmerztabletten dabei.«
»Nein.« Eve hatte selbst vor offiziell zugelassenen Medikamenten in zugelassenen Dosen eine Heidenangst. »Sie gehen sicher gleich von selbst weg. Mir ist einfach nicht klar, wie wir im Fall Fitzhugh weitermachen sollen. Feeney hat mir sämtliche Informationen über den Jungen auf Olympus auf den Computer geschickt, aber ich finde einfach nichts, was ihn mit Fitzhugh oder dem Senator in Verbindung bringt. Und gegen Leanore und Arthur habe ich so gut wie gar nichts in der Hand. Natürlich kann ich beantragen, dass man sie an den Lügendetektor anschließt, aber das wird sicher nicht genehmigt. Also werde ich den Fall höchstens noch vierundzwanzig Stunden offen halten können.«
»Sie glauben also immer noch, dass es eine Verbindung zwischen den Fällen gibt?«
»Ich will, dass es eine solche Verbindung gibt. Das ist nicht dasselbe. Ich fürchte, ich habe in Ihrem ersten Fall, in dem Sie mir als feste Assistentin zugeteilt worden sind, noch keinen allzu tollen Eindruck auf Sie gemacht.«
»Ihnen als feste Hilfskraft zugeteilt worden zu sein, ist das Beste, was mir je passiert ist.« Peabody wurde ein wenig rot. »Ich wäre dafür selbst dann noch dankbar, wenn wir die nächsten sechs Monate damit verbrächten, ergebnislos im Dreck herumzuwühlen. Selbst dabei würden Sie mir nämlich noch sehr vieles zeigen.«
Eve lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. »Sie sind leicht zufriedenzustellen, Peabody.«
Peabody blickte sie an. »Nein, Madam, das bin ich nicht. Wenn ich nicht das Allerbeste kriege, werde ich ziemlich gereizt.«
Eve strubbelte sich lachend mit den Händen durch das Haar. »Wollen Sie sich womöglich bei mir einschmeicheln?«
»Nein, Madam. Wenn ich das wollte, würde ich irgendeine persönliche Bemerkung machen wie zum Beispiel, dass Ihnen die Ehe offensichtlich gut tut, Lieutenant. Sie haben nie hübscher ausgesehen.« Als Eve verächtlich schnaubte, sah Peabody sie lächelnd an. »Dann könnten Sie ganz sicher davon ausgehen, dass ich schleime.«
»Okay« Eve schien kurz zu überlegen, ehe sie den Kopf auf die Seite legte und Peabody nachdenklich anblickte. »Haben Sie mir nicht erzählt, dass Ihre Eltern Hippies waren?«
Am liebsten hätte Peabody mit den Augen gerollt. »Ja, Madam.«
»Für gewöhnlich werden aus Hippie-Kindern aber keine Cops. Künstler, Bauern, hin und wieder Wissenschaftler, jede Menge Handwerker, doch keine Polizisten.«
»Ich hatte einfach keinen Spaß am Mattenflechten.«
»Können Sie das denn?«
»Wenn man mich mit gezückter Waffe dazu zwingt.«
»Ihre Familie hat Sie also genervt und deshalb haben Sie beschlossen, einen glatten Schnitt zu machen und sich auf ein Berufsfeld zu begeben, das dem Pazifismus Ihrer Eltern auf
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