Bis in den Tod
deutlich kühler wurde und dass aus Richtung Osten eine milde Brise durch die Straßen wehte, blieb Peabody kurz stehen und atmete tief ein. »Man kann es riechen.«
»Was tun Sie da?«, wollte ihre Vorgesetzte von ihr wissen. »Sind Sie vollkommen wahnsinnig geworden? Wenn Sie genug New Yorker Luft eingeatmet haben, können Sie den Rest des Tages in der Entgiftung zubringen.«
»Wenn man die Abgase und den Gestank der vielen Körper herausfiltert, erhält man einen wunderbaren Duft. Vielleicht bringen sie nach der nächsten Wahl ja tatsächlich endlich das neue Frischluftgesetz durch.«
Eve sah sie von der Seite an. »Jetzt bricht der Hippie in Ihnen durch.«
»Es ist ja wohl nicht verkehrt, wenn man sich Gedanken über die Umwelt macht. Ohne die Ökos liefen wir sicher das ganze Jahr mit Gesichtsmasken und Sonnenbrillen durch die Gegend.« Peabody blickte sehnsüchtig auf das neben dem Gehweg verlaufende Gleitband, rannte jedoch gehorsam weiter neben ihrer Chefin her. »Ohne Ihre Begeisterung dämpfen zu wollen, Lieutenant, werden Sie einen ziemlichen Zirkus veranstalten müssen, um die Brillen zu bekommen. Sicher wurden sie inzwischen längst an die Angehörigen der Toten zurückgeschickt.«
»Ich werde sie trotzdem kriegen – aber ich möchte, dass möglichst wenig Aufhebens davon gemacht wird, bis ich mir darüber klar bin, ob mit den Dingern tatsächlich was nicht stimmt.«
»Verstehe.« Peabody wartete ein paar Sekunden. »Ich könnte mir vorstellen, dass Roarke so viele Geschäfte gleichzeitig laufen hat, dass er unmöglich genau wissen kann, wer wann was genau in seinen Werken macht.«
»Ich befinde mich in einem Interessenskonflikt, das ist uns beiden klar. Durch mein Vorgehen bringe ich Sie womöglich in Gefahr.«
»Tut mir Leid zu widersprechen, Madam, aber ich bin ein durchaus eigenständiger Mensch. Und wenn ich mich in Gefahr begebe, dann nur, weil ich es will.«
»Ich weiß Ihre Eigenständigkeit zu schätzen.«
»Übrigens ist meine Liebe zum Baseball beinahe ebenso groß wie meine Liebe zur Eigenständigkeit.«
Eve blieb stehen, gaffte ihre Assistentin an und begann zu lachen. »Brauchen Sie ein oder zwei Tickets?«
»Zwei. „Womöglich habe ich ja Glück und finde jemanden, der mich begleitet.«
Sie sahen einander grinsend an, als plötzlich das schrille Heulen einer Alarmsirene an ihre Ohren drang.
»Oh, verdammt, fünf Minuten früher oder später und wir hätten nichts mit der Sache zu tun gehabt.«
Trotzdem zückte Eve bereits ihren Stunner und wirbelte auf dem Absatz herum. Das Sirenengeheul kam aus der Bank, vor der sie gerade stand. »Welcher Trottel überfällt denn eine Bank, die nur zwei Blocks von der Wache entfernt ist? Verscheuchen Sie die Leute auf der Straße, Peabody«, befahl sie ihrer Assistentin, »und dann schleichen Sie sich durch den Hintereingang rein.«
Die erste Anweisung war überflüssig, da die meisten Passanten bereits freiwillig in sämtliche Richtungen davonstoben. Eve riss ihr Handy aus der Tasche und bestellte Verstärkung, ehe sie durch die automatischen Türen in das Gebäude sprang.
Im Inneren der Bank herrschte heilloses Durcheinander, was ihr den Vorteil bot, dass sie in der Menge der Menschen, die ihr entgegenrannten, eine gewisse Deckung fand. Wie in den meisten Banken war auch hier die Schalterhalle ein kleiner, fensterloser, aus Diskretionsgründen mit hohen Trennwänden versehener Raum. Hinter einem der Tresen kauerte ein Mensch, hinter den anderen standen reglos drei Droiden, die beim Schrillen der Alarmsirene automatisch ausgegangen waren.
Die einzige menschliche Angestellte war eine junge Frau von zirka Mitte zwanzig, in einem adretten, konservativen weißen Overall, mit kurz geschnittenem, schwarzem Haar, deren Miene, da sie von dem Gangster an der Kehle gepackt wurde, vor Entsetzen völlig starr war.
Der Kerl, der sie beinahe erwürgte, schwenkte in seiner freien Hand eine offensichtlich selbst gebastelte Bombe.
»Ich werde sie umbringen. Ich werde ihr das verdammte Ding in den Rachen schieben.«
Die Drohung erschreckte Eve nicht halb so wie die ruhige Art, in der sie vorgetragen wurde. Der Typ schien eindeutig weder auf Drogen noch ein professioneller Bankräuber zu sein. Seinen fadenscheinigen Jeans, dem zerknitterten Hemd, dem müden, unrasierten Gesicht nach zu urteilen hatte sie es hier mit einem der verzweifelten bettelarmen Bewohner ihrer Stadt zu tun.
»Sie hat Ihnen doch nichts getan.« Nachdem die meisten Kunden aus
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