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Bis ins Koma

Titel: Bis ins Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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heute?
    Pfeifend holt er sein Fahrrad aus dem Keller, verstaut die Flasche in seinem Rucksack und radelt zu Mauki. Er muss dafür um die halbe Alster radeln. Es ist ein lauer Abend, die ersten Cabrios feiern den Frühling. Auf den Alsterwiesen hocken junge Leute in Gruppen um einen Kasten Bier. Manche haben ihren Gettoblaster dabei und auch von den Ausflugsdampfern wehen Musikfetzen zu ihm herüber. Nicht ganz sein Musikgeschmack, aber macht nichts. Hamburg ist ganz klar in Partylaune. Und er auch! Ein Tag wie ein Filmanfang. So voller Verheißungen.
    Er hat Lust, jetzt mit Mauki einen zu zwitschern. Er hat Lust, Maukis blöde Kommentare zu hören, wenn er ihm erzählt, was er im Studio erlebt hat. Die Geschichte mit der Stretchlimo muss unbedingt noch ein bisschen ausgeschmückt werden. War’s vielleicht Heidi Klum von »Germany’s next Topmodel«? Hat er vielleicht mit ihr geredet? Hat sie vielleicht die Sonnenbrille abgenommen, ihm in die Augen geguckt und gesagt: »You’re so sweet! Give me your mobile number?« Oder war’s die Tussi, die bei DSDS gewonnen hat? Wie hieß die noch gleich?
    Und die Sache mit den Drehbuchautoren müssen Mauki, Bully und Jojo unbedingt hören.

    Marvel strampelt den Fahrradweg entlang. Ein knallgelber Sightseeingbus mit stinkendem Dieselmotor brummt an ihm vorbei.
    Mauki hat doch mal getönt, dass er später in Italien leben will, Wein saufen und Grappa, im eigenen Pool planschen und Drehbücher schreiben. Ha, ha. Das Containerbüro war ganz schön weit weg von italienischen Weinbergen und Villen mit Pool.
    Aber wer weiß? Vielleicht können sie mal zusammen eine Ballermanntour machen. Sangria-Eimer, ein paar heiße Mädchen aufreißen, mit einem schönen kalten Bier am Strand in der Sonne liegen und abends Party, Party, Party! Am Geld soll’s nicht scheitern. Das hat er bald.
    Eine Mädchentruppe, die ihm schwatzend und kichernd entgegenkommt, teilt sich, um ihn durchzulassen.
    »Hey«, ruft er, »danke!«
    Sie haben es nicht einmal nötig, ihm zu antworten. Sie haben keine Ahnung, dass da eben der Star von morgen an ihnen vorbeigefahren ist. Später werden sie heiße Küsse auf seine Autogrammkarte drücken.
    Er verschränkt die Arme vor der Brust. Und tritt in die Pedale.
    Er wird erst Mauki aufscheuchen und dann werden sie zusammen Jojo abholen und zum Kanal fahren, zu ihrem Lieblingsplatz unter der Krugkoppelbrücke.
    Aber Mauki ist gerade mit seiner Family im Aufbruch begriffen. Sein Vater hat Geburtstag und für sie alle ist irgendwo in einem Restaurant ein Tisch reserviert. Mauki kann unmöglich mit.
    »Tut mir leid, Kumpel«, raunt Mauki, »aber du siehst: Es geht nicht. Was machst du mit dem angebrochenen Abend?«
    »Lass das mal meine Sorge sein!« Marvel klopft vielsagend auf seinen Rucksack. »Mir fällt schon was ein.«

    »Hey!« Maukis Augen werden groß. »Was ist da drin?«
    »Wodka«, raunt Marvel. Er sagt es so leise, dass Maukis Eltern, die wartend neben dem Auto stehen, ihn nicht hören können.
    »O Mann! Und den wollt ihr jetzt etwa ohne mich saufen?« Mauki reißt fassungslos die Augen noch weiter auf. Am liebsten würde er Marvel den Rucksack von den Schultern ziehen. Oder sich bei ihm auf den Gepäckträger setzen. Verzweifelt linst er zu seiner Familie hinüber. Marvel hat echt einen Treffer gelandet. Er zuckt bedauernd mit den Schultern, lacht, gratuliert Maukis Vater, winkt der restlichen Familie zu und steigt wieder in die Pedale.
     
    Als er bei Jojo klingelt, bleibt alles still. Marvel flucht, wählt Jojos Handynummer, aber das Handy ist wieder mal nicht eingeschaltet. Jojo ist ein echter Handymuffel. Er hat immer Angst, dass ihn die Gespräche zu viel kosten, auch Gespräche, die er nur entgegennimmt. Deshalb stellt er es immer ganz ab. Was für ein Idiot.
    Marvel schlurft zu seinem Fahrrad zurück. Es ist inzwischen fast neun Uhr abends und bereits dunkel. Auf den Straßen fahren keine Cabrios mehr und nur noch ein paar Rentner führen ihre Hunde um den Block. Keine Party.
    Marvel spürt plötzlich eine ungeheure Enttäuschung, eine Leere in seinem Innern, die sich um seinen Magen zusammenkrampft.
    Er ruft Bully an.
    »Was liegt an?«, fragt Bully.
    »Wodka«, sagt Marvel.
    Pause. Bully räuspert sich, spricht leiser. »Wo bist du, Mann?«
    Marvel erklärt es ihm.

    »Mein Fahrrad hat einen Platten«, sagt Bully.
    »Nimm den Bus«, rät Marvel.
    »Weiß nicht«, sagt Bully, »wir schreiben morgen doch Mathe.«
    »Scheiß auf Mathe«, sagt

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