Bis ins Koma
werden nicht schöner durch seine Arbeit, wenn der einen Stirnlappen abtrennt … Marvel muss würgen.
Seine Mutter legt den Möhrenstrunk auf den Aschenbecherrand. Sie breitet die Arme auf der Sofalehne aus und lehnt sich zufrieden zurück. Sie lächelt Marvel an. Marvel bemüht sich sehr um ein lockeres Grinsen.
»Weißt du was, Schatz«, sagt seine Mutter, »ich hau mich jetzt ins Bett.«
»Gute Idee«, brummt Marvel. Bei dem Gedanken an sein Bett fühlt er geradezu eine Sogwirkung.
»Ich hab bis heute Morgen zehn Uhr durchgearbeitet«, erklärt seine Mutter. »Jede Stunde ein frischer Notfall.«
»Tapfer«, sagt Marvel.
»Ja, das finde ich auch.« Seine Mutter steht auf, streckt sich und winkt ihm im Hinausgehen ein fröhliches »Tschüss« zu.
»Tschüss«, sagt Marvel. Und denkt: Sie hat nicht mal gefragt, wann ich nach Hause gekommen bin! Und sie weiß noch gar nicht, dass ich heute Abend schon wieder auf die Piste will.
Er nimmt sich vor, ihr eine Nachricht auf dem Notizblock zu hinterlassen. So machen sie das immer.
Er hat sich gerade auch wieder ins Bett gelegt, um noch etwas Schlaf abzubekommen, da klingeln Mauki und Jojo Sturm.
»Hey Alter, alles fit?«, dröhnt Mauki, während er seine Hand krachend auf Marvels Schulter fallen lässt.
»Wie ist die Lage?«, fragte Jojo. »War ein supergeiler Abend, oder?«
»Weltniveau.«
»Voll der Wahnsinn. Echt.«
»Übrigens, die Firma dankt«, sagt Mauki. »Haben wir das schon gesagt?«
»Ach ja: heißen Dung auch!«
Ohne sich zu erkundigen, ob es gerade passt, drängen sie sich an ihm vorbei in die Wohnung. Beide noch richtig aufgekratzt.
Marvel muss sie ermahnen, leise zu sein. Seine Mutter schläft doch.
Sie haben drei Flaschen Pils dabei, aber Marvel lehnt ab. Er wirft sich wieder auf sein Bett und lässt sie weiterquasseln, während er mit der Müdigkeit und seinen Kopfschmerzen kämpft. Jojo und Mauki wollen unbedingt wissen, wie Marvel den Abend überstanden hat. Sie erklären ihm, wieso sie einfach verschwunden sind. Sie hatten irgendwie das Gefühl, dass Marvel gern mit Bine allein sein wollte.
Marvel kann sich nicht erinnern, ihnen dieses Gefühl vermittelt zu haben. Er weiß andererseits aber auch nicht, wann Jojo, Mauki und Bully abgehauen sind. Da hatte er längst schon einen Filmriss. Sie diskutieren eine Weile das Wort FILMRISS und machen ihre Witzchen darüber.
Marvels Kopf dröhnt, wenn sie laut lachen. Er wünscht sie zum Teufel.
»Mir geht’s scheiße«, stöhnt er. »Mir bluten die Haare.«
Sie lachen, sie finden das witzig.
»Stimmt«, sagt Mauki, »du warst hackedicht. So hab ich dich noch nie gesehen.«
»Voll wie eine Schrankwand!«, erklärt Jojo strahlend.
Mauki grinst. »Weißt du, was ich glaube, Mann? Du bist immer noch breit.«
»Nicht so laut, Mann! Meine Mutter!« Marvel kann nicht verstehen, wieso die beiden es lustig finden, dass es ihm schlecht geht. Er hat einfach vergessen, dass sie das immer so machen. Er will, dass sie verduften und er endlich seine Ruhe hat.
Aber sie machen keine Anstalten, abzuhauen. Sie denken vielleicht, dass sei wahre Freundschaft, wenn sie ihm dabei zusehen, wie er mit seinem Kater ringt. Denn dass er noch ziemlich angeschlagen ist, entgeht den anderen beiden nicht.
»Nur ein Pils hilft jetzt«, rät Jojo.
Und Mauki bestätigt: »Mit Alk aufhören und mit Alk anfangen: Das ist der Trick. Von wegen Level wiederherstellen und so.«
Aber Marvel lehnt ab.
»Du hast ja tierisch rumgemacht«, stellt Bully anzüglich fest.
Rumgemacht?, denkt Marvel. Er erinnert sich an nichts.
Mauki will wissen, wie viel die Sause gekostet hat, aber Marvel, dem bei dem Gedanken an die teuerste Nacht seines Lebens schon wieder schlecht wird, macht nur eine wegwerfende Handbewegung. »Keine Ahnung, macht euch darüber mal keinen Kopf.«
»Sag doch mal!«, beharrt Mauki.
»Nee, sag ich nicht.«
Marvel könnte gar nichts sagen, wie viel er ausgegeben hat, weil er es nicht weiß. Das ärgert ihn tierisch. Er ärgert sich überhaupt. Über das Geld, das fehlt, über seinen Blackout, über die ganze verdammte Situation. Über seine Kumpel, die nicht merken oder nicht merken wollen, dass er total fertig ist. Über sich, dass er ihnen das nicht einfach sagt und sie wieder rausschmeißt.
Er muss unbedingt den Restalkohol wegschlafen, bevor die nächste Fete beginnt.
Er setzt sich auf, fährt sich durch die verschwitzten Haare, stöhnt: »Leute«, presst er schließlich raus, »lasst Opa allein,
Weitere Kostenlose Bücher