Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bis ins Koma

Titel: Bis ins Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
Vom Netzwerk:
auflöst.
    Und ausgerechnet jetzt braucht er sie dringend, um mit ihr über seinen Vater zu reden. Hamburg hat mehr als zwei Millionen Einwohner. Er kennt nicht einmal ihren Nachnamen. Er weiß auch nicht, ob Bine ihr richtiger Vorname ist. Er weiß gar nichts von ihr, außer dass ihre Mutter nicht mehr lebt. Aber vielleicht stimmt das auch nicht.
     
    »Was ist mir dir?«, fragt seine Mutter, als er nach Hause kommt. »Du siehst fertig aus.« Sie streicht ihm über die Wange. Sein Vater hat ihn genau da auch angefasst.
    »Ist nichts, Mama, lass mich.«
    »Schlechte Arbeit geschrieben?«
    Marvel schüttelt den Kopf. Er geht ins Bad. Er bleibt lange im Bad, weil er nicht weiß, was er seiner Mutter sagen soll, wenn er
wieder rauskommt. Seine Mutter hat Hackbraten gemacht, mit Zwiebelringen. Man riecht es in der ganzen Wohnung.
    »Kommst du?«, ruft seine Mutter.
    Er zieht die Wasserspülung, lässt geräuschvoll den Wasserhahn laufen und kommt wieder in den Flur.
    Seine Mutter mustert ihn aufmerksam. »Du bist irgendwie anders.«
    »Unsinn«, knurrt Marvel.
    Sie folgt ihm in die Küche. Sie setzen sich an ihre Stammplätze, Marvel gießt Wasser in die Gläser. Seine Mutter faltet die Serviette auseinander und legt sie auf ihre Knie. Dabei lässt sie ihn nicht aus den Augen.
    Marvel nimmt Messer und Gabel und betrachtet sie eine Weile, als wisse er nichts damit anzufangen. Dann zerschneidet er die Zwiebelringe in winzige Stückchen. Alle gleich groß. Mit beinahe mathematischer Präzision. Dem besorgten Blick seiner Mutter kann er so gut ausweichen.
    »Passt es dir nicht, wenn Mike hier ist?«, fragt sie.
    »Ist er hier? Ich seh ihn gar nicht.«
    »Marvin! Junge, du weißt, was ich meine. Wenn er uns besuchen kommt.«
    »Ist doch dein Besuch.«
    »Aber Mike mag dich. Und ich würde mich freuen, wenn du ihn auch magst.«
    »Mom. Der ist okay.«
    Marvel stopft das Essen in sich hinein. Er kann die Art von Gesprächen nicht leiden, schon gar nicht, wenn es Hackbraten mit Zwiebelringen und Möhren gibt. Oder irgendetwas anderes. Das ganze Essen liegt einem danach kiloschwer im Magen. Er kann solche Gespräche überhaupt nicht leiden. Und er hasst Möhren.
    »Vielleicht schläft er irgendwann auch mal hier«, sagt seine
Mutter vorsichtig. »Dann möchte ich nicht, dass es irgendwelche Probleme gibt.«
    »Warum sollten wir Probleme kriegen«, brummt Marvel. »Ist doch dein Ding.«
    Seine Mutter dreht verlegen lächelnd aus der Serviette eine Wurst. Dann sieht sie plötzlich auf. »Er tut mir gut, weißt du. Nach der Trennung von deinem Vater, da hab ich gedacht …«, sie holt tief Luft, »da hab ich gedacht, ich würde nie wieder einen Mann auch nur ansehen. Ich hab gedacht, alle Männer sind wie dein Vater.«
    Marvel stopft sich schnell eine Gabel Kartoffelbrei in den Mund. Dann muss er nicht antworten.
    »Sonntag will Mike mit mir ins Alte Land, zur Apfelernte«, sagt seine Mutter. »Er hat da früher gelebt. Wir wollen mit den Fahrrädern hin.«
    »Klingt gut«, sagt Marvel. Er kann sich nicht wirklich vorstellen, was daran toll sein soll.
    »Hast du Lust, mitzukommen?«
    Marvel legt das Besteck hin. »Ich finde es besser, wenn ihr zwei allein fahrt. Ich meine, was soll ich dabei? Oder braucht ihr Zuschauer?«
     
    Es ist Sonntag, zwölf Uhr.
    Marvels Mutter und DocMike sind schon früh losgefahren. Da hat er noch geschlafen. Er hat den Vormittag vertrödelt, hat nur rumgehangen und dabei die ganze Zeit versucht, nicht an den Nachmittag zu denken.
    Vier Uhr, Eilenau 12. Seine alte Adresse.
    Er hat sich ein Müsli gemacht, aber entweder war der Joghurt schlecht oder sein Magen spielt verrückt: Die Hälfte hat er durchs Klo gespült.
    Marvel ruft Mauki an. Mauki muss aus dem Keller hochkommen.
Er repariert gerade das Fahrrad seines kleinen Bruders. Die Stützfahrräder sind abgebrochen. Benni ist erst vier.
    »Und du?«, fragt Mauki, nachdem sie das besprochen haben. »Was machst du so?«
    »Ach, nichts. Ich häng rum.«
    »Hast du Lust, vorbeizukommen?«, fragt Mauki. »Lust auf ein Bierchen?«
    »Nee, ich glaub nicht. Ich hab heute Nachmittag schon was vor.«
    »Aha.« Mauki wartet, aber Marvel sagt nichts weiter dazu. »Du hast ziemlich oft was vor«, fährt Mauki fort. »Hat das was mit dieser Tussi aus dem MOV ES zu tun?«
    »Nee, hat es nicht.«
    »Aber du triffst sie, oder?«
    Marvel reagiert gereizt. »Was willst du wissen?«
    »Bully hat dich manchmal gesehen. An der Elbe. Bei der Perle.« Die Perle ist eine

Weitere Kostenlose Bücher