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Bis ins Koma

Titel: Bis ins Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Blobel
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Auch dass Hottes Nerven und Geduld kurz vor dem Zerreißen sind. Dass er sich sehr anstrengen muss, um mit Marvel den üblichen höflichen Gesprächston zu finden. Dass Hotte lieber brüllen würde. Oder mit der Faust auf einen Sandsack einschlagen.
    »Jannis ist heute Morgen damit in die Konferenz geplatzt«, erklärt Hotte. »Er hat das am Wochenende entdeckt, als er durch die Chats zu unserer Soap gegoogelt ist. Normalerweise entdeckt er da witzige, nette Anregungen für die Kollegen von der Presse.« Hotte stockt.
    Marvel räuspert sich. »Ja? Und?«

    »Du warst in einer Nacht so blau, dass jemand dir die Hose ausgezogen und deinen Arsch tätowiert hat«, sagt Hotte.
    »Nein!«
    »O doch. Auf dem ersten Foto sieht man nur deinen Arsch. Aber dann haben sie dich rumgedreht und deinen Pimmel dekoriert.«
    »Nein!«
    »Du starrst mit roten Augen in die Kamera wie ein Zombie!«
    »Nein!!«
    »Hör auf mit dem ewigen Nein, Marvel. Es ist, wie es ist. Irgendjemand, der sonst nichts Besseres zu tun hatte, hat dich da auf der Website entdeckt. Und dich erkannt. Der Star aus Coole Zeiten. Und er hat die Bilder in unsere Chats gehoben. Wir haben jetzt einen Star, der so besoffen ist, dass man ihm in der Öffentlichkeit die Hose runterziehen und seinen Arsch tätowieren kann. Du ahnst vielleicht, wie wir uns darüber freuen.«
    »Mein Arsch ist nicht tätowiert, Hotte!«
    »Vielleicht haben sie es mit Filzstiften gemacht. Oder mit Make-up. Was weiß ich. Vielleicht hast du deine Rückseite lange nicht im Spiegel betrachtet.«
    Marvel spürt, wie seine Knie nachgeben. Er schafft es gerade noch bis zum Sessel. »Hotte, ich …«, stammelt er.
    »Spar dir alles, was du mir sagen willst, bis du die Fotos gesehen hast. Und dann beweg dich hierher. Ich muss mit dir ein paar Takte reden.« Hotte legt auf, ohne die üblichen freundlichen Worte, denn eigentlich geht es unter Filmleuten immer nett und höflich zu. Diese Höflichkeit hat Marvel sich wohl verscherzt.
     
    Ist es möglich, denkt Marvel, während er voller Ungeduld auf den Bildschirm starrt, so breit zu sein, dass man das nicht mehr
mitbekommt? Wann war ich denn so besoffen, verdammt noch mal? Ich weiß doch, was ich tue. Was ich getan habe. Ich betrinke mich doch nicht bis zur Bewusstlosigkeit! Mann, ich bin doch immer Herr der Lage gewesen. Bin ich in deren Augen jetzt auf einmal ein Alkoholiker, oder was? Der sabbernd im Straßengraben liegt? Oder wie dieser Penner in der U-Bahn, der sich in die Hosen gepinkelt hat? Sonst noch was?? Habt ihr alle ein Rad ab?
    Mann, ich bin Marvin Keller, ich bin sechzehn - seit eineinhalb Monaten -, ich geh in die zehnte Klasse und kann Gedichte von Catull übersetzen! Was soll der Scheiß? Das kann nur ein Irrtum sein. Dieser Jannis, dieser sogenannte Headwriter, der kriegt von mir eins aufs Dach, aber gehörig, wenn sich rausstellt, dass er sich geirrt hat. Dem mach ich Feuer unterm Hintern!
    Das Bild baut sich auf. Marvel hält den Atem an.
    Und da ist es:
    Unter dem 13. März gibt es anonym folgenden Eintrag: »Hey Leute, falls ihr für diesen Max aus der Serie Coole Zeiten schwärmt, dann hab ich was für euch! Falls jemand von euch Mädchen schon mal davon geträumt hat, mit diesem Kerl ins Bett zu gehen, weil er das Zeug fürs große Popcornkino hat, dann guckt euch vorher diese Fotos an! Vielleicht entscheidet ihr euch dann doch lieber für jemanden, der seinen Verstand noch nicht komplett versoffen hat! Ich hab mal nachgeguckt, dieser Marvin Keller ist erst sechzehn! Und schon so kaputt! Halleluja! Wetten, Marvin, dass du es in deinem Leben noch weit bringst?
    Du kommst echt gut rüber auf Fotos! Du hast das Zeug zum Superstar! In der Abteilung: Deppenfilme. Titel: ›Der Drops ist gelutscht‹.«
    Marvel scrollt runter und da sind die Fotos. Ihm ist plötzlich
so schwindlig, dass er kaum etwas sieht. Vielleicht weigert sich sein Verstand auch, zu begreifen, dass er tatsächlich dieses jämmerliche Häuflein Mensch ist.
    Unfassbar peinlich. Marvel schmerzen vom Gucken die Augäpfel.
    Nein, denkt er. Nein! Nein! Nicht ich! Das bin ich nicht!!
    Aber allmählich erkennt er ein paar Details. Und dann weiß er auch, dass es dieser Abend gewesen sein muss, als er mit seinen Kumpels feiern wollte und die keine Zeit für ihn hatten. Er mit dieser Wodkaflasche. Und dem wahnsinnigen Wunsch, Party zu machen.
    O ja, Mann - das ist die Brücke, das ist der Alsterarm. Da hab ich gesessen. O Scheiße! Das sind meine Nikes, das ist mein

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